Entschlossen gegen Teuerung: Nachhaltige Entlastung, Strukturreformen für die Energiewende
Veranstaltung: | NEOS Mitgliederversammlung am 22.10.2022 in Wien |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 2. Leitantrag |
Antragsteller_in: | NEOS Erweiterter Vorstand (beschlossen am: 23.09.2022) |
Status: | Modifiziert |
Eingereicht: | 23.09.2022, 12:52 |
Kommentare
Markus Weber:
MiFID II Ausnahmen im Commodity-Handel
Auf dem G-20-Gipfel am 25. September 2009 in Pittsburgh wurde als Reaktion auf die Finanzkrise vereinbart, Finanzmärkte stärker zu regulieren. Auf EU-Ebene ist hierzu u.a. die MiFID II Richtlinie erlassen worden. Diese beinhaltet für den Handel börsennotierter Waren und den Energiehandel allerdings umfangreiche Ausnahmen. Die Kernargumente der betroffenen Unternehmen war damals der Hinweis, dass die Finanzmarktkrise vom us-amerikanischen Subprime Hypothekenmarkt ausging, der Energie- bzw. "Commodity" - Handel "sicher" sei und nicht im selben Maße reguliert werden müsse.
Im Zuge der durch den russischen Angriff auf die Ukraine ausgelösten aktuellen Krise auf den verschiedenen Märkten (u.a. Gas, Strom, Weizen, ...) und den Milliarden an Liquiditätshilfen, die aktuell Energiehandelsunternehmen gewährt wird, kann diese Fiktion nicht mehr aufrechterhalten werden.
Die Ausnahmen für den Commodity-Handel in MiFID II müssen aufgehoben werden. Statt allerdings MiFID II lediglich "blind" auf den Commodity-Handel zu übertragen, sollte MiFID II selbst einer Überprüfung / Novellierung unterzogen werden.
Markus Weber:
Bidirektionales Laden
Die Volatilität und der Wert von Flexibilität an den europäischen Energiemärkten sind durch den russischen Angriff auf die Ukraine drastisch gestiegen. Konsumenten werden verstärkt zu Prosumern, um auf den Preisdruck zu reagieren (zumindest diejenigen, die es sich leisten können).
Hierzu steht privaten Konsumenten im Wesentlichen eine Technologie zur Verfügung: Photovoltaik. Es ist zu erwarten, dass die Erzeugung aus Strom aus privaten Photovoltaik-Anlagen perspektivisch stark zunimmt. Hierdurch werden Sommer/Winter und Tag/Nacht Schwankungen durch den sich ändernden Stand der Sonne noch ausgeprägter als aktuell schon.
Gleichzeitig fehlt größtenteils noch die Produktbasis, die Privatkunden ermöglicht, ihre Flexibilität ebenfalls wirksam zu nutzen. An erster Stelle sei bidirektionales Laden von E-Autos genannt. Beim bidirektionalen Laden von E-Autos sind jedoch asiatische Hersteller und nicht etwa amerikanische oder europäische Anbieter führend. Die Technik ist in Europe und Deutschland noch nicht weit verbreitet.
Bidirektionales laden ist der Austausch von Energie in zwei Richtungen. Bedeutet den Strom nicht nur ins Auto zu laden, sondern auch wieder zu entnehmen. Hierdurch können E-Autos als Batterie im Stromnetz verwendet werden (wenn Sie gerade nicht zum Fahren genutzt werden). Daraus ergeben sich folgende Möglichkeiten:
• V2H – Vehicle To Home: Tagsüber wird Strom (u.a. aus Photovoltaikanlagen) in das Fahrzeug geladen und nach dem Sonnenuntergang wird mit der gespeicherten Energie der Haushalt versorgt.
• V2G – Vehicle to Grid: Hierbei wird die gewonnene Energie zurück in das Netz gespeist. E-Auto Batterien fungieren so als Netzpuffer.
Birektionales Laden ist nach dem asiatischen Chademo-Standard bereits jetzt möglich. Beim in Europa weiter verbreiteten Standard CCS bzw. ISO15118 ist bidirektionales Laden noch nicht möglich.
Die Förderung von E-Mobilität (E-Autos und Wallboxen) sollte daher umgehend an die Unterstützung von bidirektionalem Laden gekoppelt werden. Die Flexibilität fahrender Batterien muss im Strommarkt genutzt werden.
Markus Weber:
Clearing - Banken (Commodity - Handel)
Im Commodity- und speziell im Stromhandel über Börsen mit einer Abwicklung über ein Clearing-System lassen sich zwei Fälle unterscheiden:
Direktes Clearing (ohne Zwischengeschaltete Claring - Banken)
Clearing über zwischengelagerte Clearing-Banken
Schon in den letzten Jahren ist die Zahl der Banken, die Clearing-Dienstleistungen in diesem Markt angeboten haben zurück gegangen, was zu einer Konzentration von Clearing-Risiken bei wenigeren im Markt verbliebenen Clearing-Banken gesorgt hat (mir ist keine österreichische Bank bekannt, die noch eine Clearing - Leistung im Energiebereich erbringt). Die durch den Angriff Russlands auf die Ukraine ausgelöste Energie-Krise hat die Margin-Anforderungen dramatisch erhöht und setzt nicht nur die eigentlich handelnden Marktteilnehme unter Liquiditätsdruck, sondern auch die Clearing - Banken.
Die Auswirkungen dieses Konzentrationsprozesses in Verbindung mit dem massiven Liquiditätsbedarf in der aktuellen Krise ist ggf. nicht gut gut verstanden worden. Eine sofortige Untersuchung der Sachlage durch die europäischen Aufsichtsbehörden (ESMA und ACER) sollte erfolgen, um ggf. rechtzeitig Maßnahmen für Wettbewerb und Stabilität von Clearing Leistungen ergreifen zu können.
Markus Weber:
In verschiedenen Ländern wird über Stromexportbegrenzungen nachgedacht, z.B.
- Frankreich -> Italien
- Südnorwegen -> EU
In Deutschland haben die norddeutschen Bundesländer eine Debatte begonnen, den deutschen Strommarkt zu Teilen (Nord- und Süd).
Polen hat Phasenregler eingesetzt, um übermäßige Windstrommengen (aus Norddeutschland) nicht aufnehmen zu müssen, womit kostenspielige Redispatch-Mapnahmen in Deutschland erfolgen müssen, und dort die Netzkosten erhöhen.
So verständlich solche Bestrebungen auch sind, um ein lokales Optimium (für Norddeutschland, Frankreich, Südnorwegen, Polen, ...) zu erreichen, so wenig wird dadurch ein globales (EU-weites) Optimum erreicht.
Solche Exportbegrenzungen und Fragmentierungen wirken EU-Zielen ("europäische Kupferplatte") entgegen. Volkswirtschaftlich ist hiermit ein Nachteil verbunden, auch wenn bestimmte Gruppen ggf. von niedrigeren Strompreisen profitieren würden.
Auch für Österreich sollte die Devise der Netzausbau sein. Österreich (und besonders Tirol) kann hiervon dank seiner Speicher sehr profitieren.
Ben Raho:
Ich verweise hier auf einen Antrag den wir dazu gestellt haben:
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/A/A_02753/index.shtml
Markus Weber:
- PV auf den Dächern: überall (außer in ausgeprägten Schattenlagen der Alpentäler)
- Große Windkraft: außerhalb von Schutzgebieten, bei guter/einfacher Netzanbindung und guter Windprognose
- kleine Windkraft: auch in oder näher an Schutzgebieten, und guter Windprognose (ein autarker Betrieb kann hier ggf. auch sinnvoll sein, eine Netzanbindung ist nicht zwingend erforderlich)
- Abwasserwärmepumpen: dort wo Quellen warmer Abwässer und Fernwärmenetze räumlich zusammen liegen
- Biogas: überall
- Große Wasserkraft: idealerweise wenn sie als Speicher konzipiert sind, wobei auch reine Staubecken und Laufwasser denkbar erscheinen (lässt sich heute durchaus umweltschonend bauen (Fischtreppen, Fischfreundliche Turbinen, etc.), UVP-Verfahren bleiben vermutlich sinnvoll
- Kleine Wasserkraft: überall (lässt sich auch umweltschonend bauen)
- Biomasse: wo andere Erneuerbare nicht gut funktionieren
Wichtig erscheint Rentabilität einzufordern (ist bei den aktuellen Preisen kaum ein Problem, Szenario-Rechnungen für fallende Preise sollte jeder Investitionsverantwortliche machen). Zusätzliche Förderung ist unnötig. Der Markt ist ohnehin gerade sehr heiß gelaufen. Auf der administrativen Ebene kann einiges gemacht werden (Gebiete ausweisen, Abfallverantwortliche (Biomüll) auf Biogas-Erzeugung hinweisen, Potentiale für Abwasserwärmepumpen ermitteln…) und auf der Netzebene muss es passen. Die lokale Stromnetzinfrastruktur (im Verteilnetz) muss mithalten können und aufnahmefähig sein. Genauso wie der Ausbau der Übertragungsnetze beschleunigt werden muss.
Wenn eine Förderung erfolgen soll, wäre ein System handelbare Grünstrom-Zertifikate mit verbindlichen Erneuerbaren Quoten auf der Verbrauchsseite eine Möglichkeit. Alternativ der Einbezug von Brennstoffen in den EU-Emissionshandel. Dann würden alle Förderungsmechanismen für erneuerbare obsolet und könnten abgeschafft werden.
Das Kommentieren ist möglich: von 23.09.2022, 17:00 bis 05.10.2022, 12:00