EU Programm
Veranstaltung: | NEOS Mitgliederversammlung am 26.01.19 in Wien |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | TOP 4: Änderung des Parteiprogramms, Beschlussfassung von Positionspapieren |
Status: | Modifiziert |
Eingereicht: | 16.01.2019, 15:31 |
Ersetzt: | EU Programm |
Veranstaltung: | NEOS Mitgliederversammlung am 26.01.19 in Wien |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 4: Änderung des Parteiprogramms, Beschlussfassung von Positionspapieren |
Status: | Modifiziert |
Eingereicht: | 16.01.2019, 15:31 |
Ersetzt: | EU Programm |
„Die EU“ ist viel zu oft der Sündenbock, wenn auf nationaler politischer Ebene
etwas schiefläuft. Die Regierungen schieben die Schuld für Mängel, Missstände
und Blockaden, die sie selbst verursacht haben, ab. Für die Unionsbürger_innen
ist es momentan sehr oft nicht nachvollziehbar, wer im komplexen politischen
Gebilde die Verantwortung trägt. Selbst dort, wo es Information und Transparenz
gibt, sind EU-Bürger_innen schlecht über die Kompetenzen und Tätigkeiten der
Union informiert.
Brüssel ist in der Wahrnehmung der Bürger_innen viel zu weit weg und bestehende
Beteiligungsinstrumente wie die Europäische Bürgerinitiative (EBI) sind
weitgehend unbekannt. Zugleich sind innovative Formen der Beteiligung stark
unterentwickelt. Die Bürger_innen haben also kaum Handhabe, den politischen
Stillstand durch Initiativen aufzubrechen. Dies führt dazu, dass ein
europäisches Bewusstsein und eine politische Identifikation mit der EU
unterentwickelt bleiben.
Unionsbürger_innen sind in ihrem Wahlrecht bei europäischen Wahlen
eingeschränkt. Sie können nicht die Kandidat_innen europaweit wählen, von denen
sie sich am besten vertreten fühlen, sondern ausschließlich jene aus ihrem
Heimatstaat. Die Europawahlen verkommen dadurch meist zu nationalen
Zwischenwahlen, die Wahlkämpfe zu rein innenpolitischen Auseinandersetzungen,
die wenig Bedeutung für die Zukunft Europas haben. Sie schaffen es so kaum, das
europäisch-politische Bewusstsein zu verstärken.
Die Krisen und Herausforderungen der Gegenwart haben zusammen mit der gehemmten
politischen Handlungsfähigkeit der EU in vielen Mitgliedstaaten zu einem
Aufschwung nationalistisch-populistischer Parteien geführt. Die Mitgliedsländer
entwickeln sich unterschiedlich schnell und die Idee eines gemeinsamen Europas
verliert in manchen Staaten immer mehr an Zustimmung. Es kommt vermehrt zu
Verletzungen der EU-Grundwerte. Die Europäische Union hat zu wenige und zu
schwache Instrumentarien, um dies zu sanktionieren. Aus diesen Entwicklungen und
dem Brexit werden Befürchtungen vor einem Zerfall der Union genährt.
Gleichzeitig gibt es unterschiedlich weit entwickelte europäische Staaten, denen
die Union mittel- oder langfristige Beitrittsperspektiven zugesichert hat.
Während einige der potenziellen zukünftigen Mitglieder Erfolge bei der
Annäherung verzeichnen können, scheinen sich andere nur wenig vorwärts zu
bewegen. Es besteht die Gefahr, dass die Bürger_innen jener Staaten sich als
Europäer_innen zweiter Klasse empfinden und andernorts Verbündete suchen.
Gemeinsam mit den Bürger_innen durchläuft Europa einen Reformprozess, der die
Vertiefung und Erweiterung der EU vorantreibt. Die Bürger_innen bringen sich
aktiv in den europäischen Diskurs ein und gestalten ein handlungsfähiges Europa.
Ein Europäischer Konvent führt gemeinsam mit europäischen Volksabstimmungen
dazu, dass bestehende Blockaden durchbrochen und Fragen der weiteren Integration
vorbereitet werden. Die europäischen Institutionen haben sich zu einer
leistungsfähigen Führung der europäischen Gemeinschaft entwickelt, die über eine
Politik des nationalen Minimalkonsenses hinausgeht. Sie agieren effizient und
transparent. Unser Europa ist ein Europa der Entbürokratisierung. Es steht für
eine Regelung anstelle von 27 verschiedenen.
Die an der Gesetzgebung beteiligten Institutionen befinden sich alle in Brüssel
und bilden den Grundstein für eine Weiterentwicklung Brüssels zu einer echten
europäischen Hauptstadt. Das Europäische Parlament besteht zu immer größeren
Teilen aus gesamteuropäisch gewählten Abgeordneten, die über Gesetzesvorschläge
für Europa entlang grundsätzlicher politischer Positionen und nicht auf Basis
nationalstaatlicher Zugehörigkeit diskutieren. Der Rat ist in eine zweite Kammer
des Parlaments weiterentwickelt, in der die nationalstaatlichen Interessen
vertreten werden. Die Kommission ist eine starke europäische Regierung mit
einem/einer direkt gewählten Regierungschef_in, der/die sich sein/ihr Team auf
der Basis von Qualifikation und Mehrheiten im Parlament zusammenstellt. Unsere
Vision der Vereinigten Staaten von Europa wird mit jedem Integrationsschritt
greifbarer. Die Bürger_innen Europas verstehen sich als europäische
Bürger_innen.
Die EU-Staaten respektieren, schützen und verteidigen die EU-Grundwerte. Wenn es
doch zu einer Verletzung dieser kommt, hat die Union effektive Sanktionen zur
Verfügung, um gegenüber dem betreffenden Staat die Einhaltung der Grundwerte und
der Rechtstaatlichkeit durchsetzen zu können.
Bürger_innen gestalten gemeinsam die Zukunft Europas
Wir fordern die Einberufung eines Europäischen Konvents mit breiter
Bürger_innenbeteiligung. So bestehen die besten Chancen, nationalistisch-
engstirnige Widerstände und politische Blockaden zu überwinden. Repräsentativ
für die Bevölkerung ausgewählte Bürger_innen aus ganz Europa sollen gemeinsam
mit staatlichen und anderen nicht-staatlichen Akteuren darüber beraten, wie
unsere EU in Zukunft aussehen soll und wichtige Richtungsentscheidungen
vorbereiten. Diese Vorschläge sollen die Basis für eine Neugestaltung der
europäischen Verträge sein.
Verbesserung der Beteiligungsmöglichkeiten für Bürger_innen
Die Europäische Bürgerinitiative (EBI) muss reformiert werden. Gegenwärtig sind
für eine erfolgreiche EBI mindestens eine Million Unterstützungserklärungen aus
mindestens einem Viertel der Mitgliedstaaten notwendig. Dann muss die Kommission
innerhalb von drei Monaten eine Stellungnahme dazu vorlegen und Maßnahmen
vorschlagen, wenn das Thema in den Kompetenzbereich der Kommission fällt.
Allerdings ist bisher von der Kommission noch kein einziger Gesetzesvorschlag
aus einer EBI entstanden. Hier muss zumindest die Bereitschaft der Kommission
steigen, auf Bürger_innenanliegen einzugehen. Zusätzlich soll die Möglichkeit
einer europaweiten Volksabstimmung geschaffen werden. Eine bestimmte Anzahl von
Unterstützungserklärungen einer EBI sollen zu einer verbindlichen
Volksabstimmung über die Thematik führen. Bei diesen Volksabstimmungen soll eine
doppelte Mehrheit erforderlich sein: sowohl eine Mehrheit der europäischen
Bevölkerung als auch eine Mehrheit der Staaten muss den Vorschlag unterstützen.
Reform der Europawahlen
Wir setzen uns dafür ein, dass zumindest ein Teil der Abgeordneten zum
Europäischen Parlament über gesamteuropäische (transnationale) Listen gewählt
werden. Dies soll durch eine Zweitstimme geschehen. Um antreten zu dürfen,
müssen europäische Listen Kandidat_innen aus mehreren Mitgliedstaaten aufweisen.
So stellen wir einen europäischen Wahlkampf sicher, der die EU-Wahl aus der
Innenpolitik der Mitgliedstaaten heraushebt. Die über transnationale Listen
gewählten MEPs leisten ihren Beitrag zu einem europäisch-politischen
Bewusstsein. Gleichzeitig soll auch der/die Kommissionspräsident_in durch die
Bürger_innen direkt gewählt werden. Dies sichert einerseits die Legitimation
des/der Präsidenten/Präsidentin der Kommission und stärkt andererseits auch
dessen/deren Verbindung zu den Bürger_innen.
Selbstbewusstes Europäisches Parlament mit zwei Kammern
Das Europäische Parlament soll sich zu einem Ort entwickeln, an dem große
Debatten über die Zukunft der Europäischen Union stattfinden. Mit einem
verbesserten Wahlrecht ist es auch an der Zeit, dass dieses selbstbewusste
Arbeitsparlament das Recht der Gesetzesinitiative erhält (Initiativrecht). Die
historisch gewachsene Aufteilung des Europäischen Parlaments auf die drei
Arbeitsorte Straßburg (die meisten Plenarsitzungen), Brüssel (Ausschüsse und
Fraktionssitzungen) und Luxemburg (Generalsekretariat) ist nicht praktikabel.
Daher soll das Parlament einen einheitlichen Sitz in Brüssel haben. Langfristig
soll das Europäische Parlament ein Zweikammerparlament werden. In der zweiten
Kammer sollen die Interessen der Mitgliedstaaten vertreten werden - diese würde
also die Aufgaben des Rates übernehmen. Die Abgeordneten der zweiten Kammer
werden von den nationalen Parlamenten entsandt. Sie spiegeln in etwa die
politische Zusammensetzung der nationalen Parlamente wider.
Effiziente Europäische Regierung ohne nationale Quoten
Die Kommission muss überschaubarer und effizienter werden. Wie seit 2000 geplant
soll die Anzahl der europäischen Kommissar_innen von aktuell 28 auf höchstens 15
reduziert werden. Ein Rotationsverfahren muss eingerichtet werden, da so nicht
in jeder Runde jeder Mitgliedstaat eine/n Kommissar_in nominieren kann. Nachdem
die Mitglieder der Europäischen Kommission aber ohnehin nicht die Aufgabe haben,
ihren jeweiligen Mitgliedstaat zu vertreten, sondern die gesamte Union, ist das
kein Verlust für die Mitgliedstaaten. Österreich soll sich bereit erklären, in
der ersten Rotationsrunde auf eine/n eigene/n Kommissar_in zu verzichten und
Verbündete suchen, die dazu ebenfalls bereit sind. So wird die seit 2000
bestehende Blockade bei dieser Reform endlich beseitigt. Langfristig soll die
Kommission zu einer echten Regierung mit direkt gewähltem Regierungsoberhaupt
und von ihm/ihr ernannter Kommissar_innen ohne nationale Nominierungsansprüche
werden. Die politische Verantwortlichkeit gegenüber dem Europäischen Parlament
soll weiter ausgebaut werden. Diese Weiterentwicklung der Kommission darf aber
nicht zur Folge haben, dass die Kommission eine ihrer Hauptaufgaben, nämlich die
Verfolgung von Unionsrechtsverletzungen durch die Mitgliedstaaten, nicht mehr
erfüllen kann. Dazu könnte eine zu diesem Zweck eingerichtete Generaldirektion
weisungsfrei gestellt werden, um politische Einflussnahme auszuschließen. Die
Aufgabenverteilung zwischen Kommissionspräsident_in und Ratspräsident_in bleibt
von diesen Reformen unberührt.
Mehr Kontrolle und Transparenz
Die Bürger_innen haben ein Recht auf eine wirtschaftliche, sparsame und
zweckmäßige Verwendung ihrer Steuermittel. Der Europäische Rechnungshof soll
durch eine Reduktion der Mitglieder auf 15 (selbes Verfahren wie beim Vorschlag
für die Kommission) effizienter werden. Zusätzlich müssen die fachlichen
Anforderungen an die Mitglieder präzisiert werden. Das Europäische Amt für
Betrugsbekämpfung (OLAF) hat sich als effektives Mittel im Kampf gegen
Korruption erwiesen. Um für zukünftige Aufgaben gerüstet zu sein, müssen
Möglichkeiten geschaffen werden, nicht-kooperative nationale Behörden zu
sanktionieren. Beim Thema der Transparenz gibt es Nachholbedarf für die
Institutionen. Für die Bürger_innen schwer nachvollziehbare
Entscheidungsprozesse der EU sollen sichtbar gemacht werden. Zu diesem Zweck
soll sowohl im jetzt vorhandenen Rat, als auch in weiterer Folge in der zweiten
Kammer, das Stimmverhalten aller Regierungsvertreter_innen/Abgeordneten bei
Abstimmungen offengelegt werden. Somit sind Blockaden durch einzelne
Mitgliedstaaten für alle ersichtlich und können öffentlich debattiert werden.
Sanktionen bei Verletzungen der EU-Grundwerte
Die europäischen Mitgliedstaaten müssen im Sinne des Schutzes der europäischen
Grundwerte eine Reform des Artikel-7-Verfahrens (Suspendierung der
Mitgliedschaft) beschließen. Statt Einstimmigkeit soll eine Zweidrittelmehrheit
im Europäischen Rat genügen, um eine schwere anhaltende Verletzung der
Grundwerte festzustellen. Darüber hinaus sind auf europäischer Ebene andere
sinnvolle Instrumente zu finden, die man in einem solchen Fall einsetzen kann.
So könnte man, je nach Schwere der Grundwerteverletzung, etwa auch das
Stimmrecht nur teilweise, also in bestimmten Politikbereichen, für eine gewisse
Zeit aussetzen. Eine weitere mögliche Sanktion für besonders gravierende
Verletzungen der Grundwerte besteht darin, zukünftige EU-Fördermittel zu kürzen.
Mitgliedstaaten, die mit dieser Maßnahme belegt werden, würden im folgenden
Finanzrahmen geringere Mittel bekommen.
Wie man gerechte Steuersysteme und eine zeitgemäße Form der
Unternehmensbesteuerung in der digitalisierten Welt gestaltet, ist eine der
zentralen Fragen unserer Zeit. Momentan ist es so, dass die Europäische Union
keine eigenen Steuern einhebt und ihre Budgetautonomie stark begrenzt ist.
Vorschläge diesbezüglich liegen bereits am Tisch, aber anstatt mit starker
Stimme global den Weg vorzugeben, scheitert eine gemeinsame europäische Vision
an nationalstaatlichen Blockaden.
Eine einheitliche, koordinierte Budgetplanung ist durch das Europäische Semester
zwar eingerichtet, diesem fehlt es aber an einem Instrument, um die Empfehlungen
an die Mitgliedstaaten durchzusetzen. Die meisten nationalen Regierungen nutzen
die Niedrigzinsphase zu zögerlich für die notwendigen Wirtschafts- und
Strukturreformen. Diese Reformabstinenz ist eines der größten Risiken für die
Stabilität und eine koordinierte Budgetpolitik.
Eine Herausforderung ist auch die budgetäre Gewichtung der einzelnen
Politikbereiche. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ist einer der größten
Budgetposten der Union und ist derzeit mit etwa 408 Mrd Euro dotiert. Das sind
fast 40 Prozent des gesamten EU-Budgets. Das meiste davon, über 70 Prozent, wird
als flächenbezogene Direktzahlung ausbezahlt und nur wenig als Entlohnung für
Maßnahmen, die den ländlichen Raum und die Umwelt stärken. Unternehmerisches
Denken und Innovationen in der Landwirtschaft sind durch die starke Abhängigkeit
von Förderungen wenig gefragt. Das schwächt die Wettbewerbsfähigkeit der
landwirtschaftlichen Betriebe.
Reformbedürftig ist auch die Strukturpolitik der Union. 2014 bis 2020 werden
dafür rund 350 Mrd Euro, ein Drittel des EU-Haushalts, aufgewendet. Einst nur
für strukturschwache Gegenden der Mitgliedstaaten gedacht, fließen die
Fördergelder heute auch in sehr reiche Regionen – mit suboptimalen
Verteilungseffekten, die einer heimlichen Ersatzwirtschaftspolitik gleichen. In
ein paar EU-Staaten besteht auch das Problem, dass riesige Regionalfördergelder
gar nicht abgerufen werden, weil es an geeigneten Projekten mangelt oder die
lokalen Behörden nicht fähig oder unwillig sind, solche zu starten oder zu
unterstützen. Das ursprüngliche Ziel, die Verhinderung eines (weiteren)
wirtschaftlichen Auseinanderdriftens der Mitgliedstaaten, wurde aus den Augen
verloren.
Die EU hat eigene Finanzierungsquellen für den EU-Haushalt. Ein substantieller
Teil des EU-Haushalts wird durch einen europaweit eingehobenen Beitrag aus einer
CO2-Abgabe und einem Anteil an der Körperschaftsteuer, die auch die
Digitalwirtschaft angemessen berücksichtigt, eingehoben. Eine Neuordnung der
Aufgaben der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten führt zu einer klaren
Zuteilung der Mittel auf EU-Ebene.
Förderungen werden nach dem Vorbild des Juncker-Plans großteils als
Ankerinvestments eingesetzt, um private Investitionen anzustoßen. Entsprechende
Wirkungs- und Investitionsziele stellen sicher, dass Fördergelder effektiv und
effizient eingesetzt werden.
Das Europäische Semester und dessen länderspezifische Empfehlungen werden
ernstgenommen. Für die Durchführung von Reformen im Zusammenhang mit den
Empfehlungen erhalten die Mitgliedstaaten eigene EU-Mittel. Die Reformen stärken
vor allem die Widerstandsfähigkeit der betroffenen Volkswirtschaften und haben
positive Übertragungs-Effekte auf andere Mitgliedstaaten.
Die Agrarpolitik wird zur Politik für alle Bürger_innen und nicht nur für eine
Berufsgruppe. Die verschlankte und innovative Gemeinsame Agrarpolitik ist
Wirtschafts- und Umweltpolitik und nicht Sozial- oder Umverteilungspolitik.Die
Strukturpolitik wird reformiert und vereinfacht und die Mittel daraus kommen
wieder hauptsächlich strukturschwachen Regionen zugute.
Umdenken im EU-Budgetprozess
Wir fordern, dass der Budgetprozess für den mehrjährigen Finanzrahmen zusammen
mit einer Neuordnung der Kompetenzen von Union und Mitgliedstaaten einhergeht.
Wir wollen dafür sorgen, dass die Union über jene Budgetmittel selbst verfügen
kann, die für die Erfüllung von Unionskompetenzen nötig sind. So sprechen zum
Beispiel bedeutende Skalenvorteile dafür, die europäischen Verteidigungsausgaben
auf EU-Ebene anzusiedeln und aus der Verteidigungspolitik mehrheitlich eine
europäische Kompetenz zu machen, um teure Doppelgleisigkeiten zu vermeiden.
Aktuell gibt es in den Verhandlungen eine starke Fixierung auf Nettozahler-
Positionen und ein starkes Konkurrenzdenken zwischen den Mitgliedstaaten. Fast
jeder Staat versucht, die besten Transferleistungen bei möglichst niedrigen
Beiträgen für sich herauszuholen. Leider verhindert dieser Fokus einen
rationalen Diskurs über eine Kompetenzverteilung zwischen EU und
Mitgliedstaaten, die Effizienz und den effektiven Einsatz von Budgetmitteln in
den Fokus stellt.
Finanzierung über EU-Steuern statt Mitgliedsbeiträgen
Die EU braucht eine Zusammenführung von Einnahmen- und Ausgabenverantwortung, um
eine sparsame Mittelverwendung sicherzustellen. Daher soll sich die Europäische
Union nicht länger primär über Beiträge der Mitgliedstaaten finanzieren, sondern
selbst Steuern einheben. Dafür sollen Abgaben, die europaweit harmonisiert sind,
direkt ins EU-Budget fließen. Ein möglichst verantwortungsvoller Umgang mit dem
Budget und ein effektiver Einsatz der Mittel ist dann am besten gewährleistet,
wenn jene, die das Budget ausgeben, die Steuern auch einheben. Die Europäische
Kommission bekommt eine/n Finanzminister_in, der/die für die Einnahmen-
Administration verantwortlich ist und sich für ein volldigitales System
einsetzt. Mehrere Formen von EU-Einnahmen können wir uns in einem ersten Schritt
vorstellen: Ein Anteil an der Körperschaftsteuer, die auch durch Einnahmen aus
der digitalen Betriebsstätte ergänzt wird, und eine CO2-Abgabe (bzw. Einnahmen
aus dem Emissionshandel).
Europäischer Anteil an der Unternehmenssteuer/Körperschaftsteuer (KöSt)
Mittels einer einheitlichen, EU-weiten Bemessungsgrundlage kann die KöSt zur EU-
Finanzierung genutzt werden. Die Kommission hat bereits Vorschläge zu einer
gemeinsamen und konsolidierten KöSt-Bemessungsgrundlage gemacht, die wir
unterstützen. Wir schlagen vor, Erträge im Ausmaß von sieben Prozent dieser
gemeinsamen (konsolidierten) KöSt-Bemessungsgrundlage der EU als Eigenmittel zur
Verfügung zu stellen. Die EU-Beiträge der Mitgliedstaaten sollen dementsprechend
gesenkt werden. Diese sieben Prozent sind gleichzeitig der Mindestsatz für die
jeweiligen Mitgliedstaaten und werden direkt der EU abgeliefert. Die
Mitgliedstaaten können darüber hinaus nationale Körperschaftssteuern selbst
einheben.
Digitale Betriebsstätten und Infrastrukturausgaben auf europäischer Ebene
Wir fordern eine zukunftsfähige Definition der Betriebsstätte bei fehlender oder
geringer physischer Unternehmenspräsenz in den nationalen Steuergesetzen sowie
in den Doppelbesteuerungsabkommen. Um Gewinne der digitalen Wirtschaft und neu
entstehender Branchen am Ort des Umsatzes besteuern zu können, wird eine
Betriebsstätte nicht nur durch eine feste Betriebsstätte, sondern auch durch
eine länger als sechs Monate dauernde wirtschaftliche Tätigkeit begründet.
Entstehen durch diese Maßnahme zusätzliche EU-Einnahmen über den vorgeschlagenen
EU-Anteil der KöSt, sollen diese zusätzlichen Mittel für eine digitale
Gründerzeit und den Ausbau der digitalen Infrastruktur in Europa genutzt werden,
um Europas Wettbewerbsfähigkeit in diesem Wirtschaftsbereich zu sichern.
Europaweite CO2-Abgabe und Einnahmen aus dem Emissionshandel
Die Einnahmen aus dem Emissionshandelssystem sollen nicht wie bisher an die
Mitgliedstaaten gehen und danach über ein komplexes System unter den
Mitgliedstaaten umgeschichtet werden. Wir fordern, dass die Einnahmen zu 50% in
einen Klimafonds und zu 50% ins allgemeine Budget fließen. Die Einnahmen aus der
europaweiten CO2-Abgabe (siehe Kapitel Umwelt & Energie) sollen analog zum
Modell für die KöSt (siehe oben) bis zum Mindestsatz der EU als Eigenmittel zur
Verfügung stehen. Dabei soll ebenfalls ein gewisser Anteil für einen Klimafonds
vorgesehen sein. Über den Mindestsatz hinausgehende Einnahmen bleiben in den
Mitgliedstaaten.
Anreize für Reformen
Das Europäische Semester soll dahingehend weiterentwickelt werden, dass die
Kommission nicht nur Empfehlungen ausgibt, sondern auch Anreize für Reformen
setzt. Die Durchführung von Reformen muss daher mit einer finanziellen
Unterstützung durch die Europäische Union verbunden werden. Damit kann
Reformabstinenz beseitigt werden. In einer Testphase könnten dafür Mittel des
Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, des Europäischen Sozialfonds
und/oder des Kohäsionsfonds eingesetzt werden. Zukünftig soll in den
mehrjährigen Finanzrahmen ein gesonderter Posten für die "Reformförderung" mit
ausreichenden Mitteln vorgesehen werden.
Innovative, schlanke und umweltfreundliche Gemeinsame Agrarpolitik (GAP)
Mit der sukzessiven Erweiterung der EU-Kompetenzen und damit neu balancierten
Budgets sollen auch Mittel von der Gemeinsamen Agrarpolitik in Zukunftsprojekte
umgeschichtet werden. Wir fordern eine sukzessive Reduktion des Volumens der GAP
über einen längeren Zeitraum hinweg. Innerhalb der GAP fordern wir eine noch
stärkere Umschichtung der Mittel hin zu Umwelt-Dienstleistungen der
Landwirtschaft (Gewässerschutz, Pestizidreduktion, Biodiversität). In den
folgenden mehrjährigen Finanzrahmen sollen die Mittel für die GAP insgesamt
jeweils um 20% reduziert werden, um Innovationen, Unternehmertum und damit
Wettbewerbsfähigkeit in der Landwirtschaft zu stärken. Durch die Einhaltung
dieses strikten Fahrplans wird Planungssicherheit für die Landwirt_innen
sichergestellt. Die freiwerdenden Mittel können für zukunftsträchtige,
gemeinschaftliche Projekte eingesetzt werden. Eine stärker nach Kriterien der
Nachhaltigkeit gestaltete Gemeinsame Agrarpolitik der EU könnte ein effektives
Mittel des europäischen Klima- und Umweltschutzes sein.
Reform der Strukturpolitik
Wir fordern die Konzentration der Strukturfonds auf die weniger entwickelten
Gebiete und die Übergangsregionen mit dem Ziel des nachhaltigen Aufbaus der
regionalen Wettbewerbsfähigkeit und der sozialen Kohäsion. Es soll keine
Unterstützung mehr für Regionen geben, deren Bewohner_innen über ein
Durchschnitts-Pro-Kopf-Einkommen von mehr als 110% des Durchschnitts-Pro-Kopf-
Einkommens des jeweiligen Mitgliedstaats verfügen. Außerdem unterstützen wir die
intensivere Förderung für grenzüberschreitende und regionsübergreifende
Kooperationen aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung
(EFRE), bei denen es einen klaren europäischen Mehrwert gibt. Rumänien und
Bulgarien sind leider Negativbeispiele dafür, dass die Projektsetzung von
Qualität und Willen der Behörden der Empfängerländer abhängig ist. Die
bereitgestellten Fördermittel werden nicht ausgenutzt und nur mit jahrelanger
Verlängerung – verspätet und qualitativ oft unzureichend – aufgebraucht. Wir
treten für eine Änderung des Vergabesystems für Länder mit schlechter Projekt-
und Mittelausnutzung ein. Künftig sollen dort Förderprojekte direkt von der EU-
Kommission ausgewählt und bezuschusst werden. Das hat auch den Vorteil, dass die
Korruptionsanfälligkeit mancher lokalen Behörden umgangen wird.
Rund zehn Jahre nach der Krise kämpft die Eurozone immer noch mit erheblichen
Problemen. Überhöhte Staatsschulden, niedrige Zinsen, teuer erkauftes
Wirtschaftswachstum und fehlende Strukturreformen sorgen weiterhin für große
Probleme. Der Europäische Stabilitätsmechanismus, der als Notfallinstrument in
der Krise geschaffen wurde, ist noch immer nicht in der Europäische Union
institutionalisiert. Ein Masterplan scheitert meist an den unterschiedlichen
nationalstaatlichen Interessen. Jedoch wäre jetzt die Zeit, vorausschauend zu
handeln, um im Fall einer Krise wirkungsvolle Maßnahmen zur Staatenrettung
setzen zu können. Instrumente zur Bekämpfung von länder- oder
regionsspezifischen Schocks und Krisen (vor allem ESM) werden zu wenig auf
mittel- und langfristige effektive Risikoteilung, budgetäre Anreize und
fiskalische Stabilisierung ausgelegt.
Momentan geht eine bessere Abstimmung der Steuer- und Abgabensysteme der
Mitgliedstaaten nur schleppend voran. Die (teils legalen) Steuerschlupflöcher
stellen nach wie vor eine große Herausforderung für die Europäische Union dar.
Eine gemeinsame Währung sollte die Zuverlässigkeit des europäischen
Finanzsystems gewährleisten. Leider fehlt bis heute ein wirkungsvoller
Stabilitätsmechanismus, der im Falle einer Krise unsere Währung schützt.
Aktuell legt die EZB die Geldpolitik für das Euro-Währungsgebiet fest, übernimmt
aber gleichzeitig - zumindest teilweise - die Funktion der Europäische
Bankenaufsicht. Während das Hauptziel der EZB Preisstabilität ist, zielt die
Finanzmarktaufsicht auf Finanzmarktstabilität ab. Durch diese Doppelfunktion
entstehen Zielkonflikte.
Immer noch sucht man in der Europäischen Union nach den geeigneten Instrumenten,
die Währungs- und Staatsschuldenkrise in den Griff zu bekommen. Durch die
anhaltende Niedrigzinspolitik in Zeiten der Hochkonjunktur verliert die EZB
zukünftigen Handlungsspielraum, um auf einen Wirtschaftsabschwung zu reagieren.
In der gegenwärtigen Situation verschiebt die Umsetzung der Bankenunion das
Risiko maroder Banken zu Lasten der Bürger_innen jener Länder, in denen die
Banken saniert sind. Voraussetzung für eine sinnvolle Bankenunion wäre eine
erfolgreiche Sanierung der Bankenwirtschaft in allen teilnehmenden Ländern.
Für Verunsicherung sorgt nach wie vor die Diskussion über Eurobonds. Eine
gemeinschaftliche Haftung für die Schulden der Euro-Staaten wäre unter den
gegebenen Umständen problematisch. Denn dadurch wären Haftung und Verantwortung
voneinander getrennt und die Gläubigerländer hätten keine Kontrolle über die
Schuldenaufnahme in Schuldnerländern.
Das BIP ist nur noch begrenzt in der Lage, den Strukturwandel von der
"dinglichen" Industrie zur "unsichtbaren" Dienstleistungs- und
Wissensgesellschaft abzubilden. Daher kann im Zeitalter der Digitalisierung das
BIP nicht immer als Gradmesser für das Wirtschaftsklima herangezogen werden.
Die Europäische Union hat die Folgen der Finanzkrise überwunden und die
richtigen Schlüsse gezogen. Ein wirkungsvoller und unabhängiger Europäischer
Währungsfonds (EWF) ermöglicht im Krisenfall die Handlungsfähigkeit und
Glaubwürdigkeit. Außerdem überwacht der unabhängige EWF anstelle der
Europäischen Kommission die Verschuldungsregeln. Eurobonds und somit eine
Vergemeinschaftung der Schulden wurden und werden nicht realisiert.
Steuergerechtigkeit ermöglicht endlich einen fairen Wettbewerb. Die Vorschläge
der Europäischen Kommission zur Bekämpfung der Steuervermeidung werden in enger
Zusammenarbeit mit der OECD Schritt für Schritt umgesetzt und führen letztlich
auch zu niedrigen Steuersätzen.
Der Euro ist eine der wichtigsten Weltwährungen und unterstützt die
internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen. Die
Währungsunion fördert weiterhin den barrierefreien Handel innerhalb des
europäischen Binnenmarktes und erleichtert das Reisen und Einkaufen für die
Bürger_innen.
Die EZB beschränkt sich auf ihre Kernaufgabe und ist erfolgreiche Hüterin der
Preisstabilität.
In der Bankenunion wurde der einheitliche Abwicklungsfonds (Single Resolution
Fund, SRF) zu einem funktionierenden Bail-in Mechanismus ausgebaut, in den die
Banken selbst einzahlen und dem ausreichend Mittel zur Verfügung stehen.
Neben dem BIP werden zusätzliche Parameter wie Gesundheit, Bildung oder
Nachhaltigkeit zur Messung von Wohlstand und Fortschritt herangezogen. Dies
hilft bei der Planung zukunftsweisender Politik.
Weiterentwicklung des ESM zu einem schlagkräftigen Europäischen Währungsfonds
(EWF)
Es braucht einen Mittelweg zwischen dem sturen Beharren auf der souveränen
Selbstverantwortung der Mitgliedstaaten und der weitergehenden
Vergemeinschaftung sowie zentralen Steuerung der Wirtschaftspolitik mit einem
finanziellen Lastenausgleich zwischen strukturstärkeren und -schwächeren
Mitgliedstaaten. Wir fordern die Einrichtung eines Europäischen Währungsfonds
(EWF) auf Grundlage des Gemeinschaftsrechts, der die Stabilität der Eurozone
gewährleistet. Mit dem Europäischen Währungsfonds (EWF) soll ein dauerhafter und
unabhängiger Rechtsnachfolger für den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM)
geschaffen werden. Hauptziel des EWF ist die finanzielle Stabilitätshilfe für
Krisenländer im Euroraum. Als unabhängiges Gremium sorgt der EWF durch
Geldmarktgeschäfte und Emissionen am Kapitalmarkt für die Beschaffung von
Geldmitteln für in Not geratene Euro-Staaten. Die Unabhängigkeit des EWF soll
langfristig zu einer Entpolitisierung des Re-Finanzierungsprozesses für in
Zahlungsnot geratene Euro-Staaten führen. Regelmäßiger Austausch eines solchen
Europäischen Währungsfonds mit den Euro-Mitgliedstaaten über aufkommende Risiken
sollen zu proaktivem Handeln führen und den Reformprozess in Euro-Staaten mit
finanziellen Engpässen vorantreiben. Zu diesem Zwecke soll der EWF auch die
Überwachung der Verschuldungsregeln von der Europäischen Kommission übernehmen.
Verstöße gegen den Stabilitätspakt sind keine politischen Bewertungen, sondern
basieren auf Zahlen, Daten und Fakten. Eine weitere Vergemeinschaftung der
Schulden etwa durch Eurobonds kommt für NEOS nicht in Frage.
Weiterentwicklung des ESM bzw. Europäischen Währungsfonds (EWF)
Die Stabilität der Eurozone soll durch einen Europäischen Währungsfonds (EWF)
auf Grundlage des Gemeinschaftsrechts gewährleistet werden. Mit dem Europäischen
Währungsfonds (EWF) soll ein dauerhafter und unabhängiger Rechtsnachfolger für
den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) geschaffen werden. Hauptziel des
EWF ist die finanzielle Stabilitätshilfe für Krisenländer im Euroraum. Als
unabhängiges Gremium sorgt der EWF durch Geldmarktgeschäfte und Emissionen am
Kapitalmarkt für die Beschaffung von Geldmitteln für in Not geratene Euro-
Staaten. Die Unabhängigkeit des EWF soll langfristig zu einer Entpolitisierung
des Re-Finanzierungsprozesses für in Zahlungsnot geratene Euro-Staaten führen.
Regelmäßiger Austausch eines solchen Europäischen Währungsfonds mit den Euro-
Mitgliedstaaten über aufkommende Risiken sollen zu proaktivem Handeln führen und
den Reformprozess in Euro-Staaten mit finanziellen Engpässen vorantreiben.
Kein Steuergeld für Hilfen des EWF
Private Gläubiger_innen haften direkt und eventuell zusätzlich auch über
Pensionsfonds und Lebensversicherungen für die Investments an überschuldeten
Staaten. Werden Mittel aus dem Europäischen Währungsfonds in Anspruch genommen,
sollen Staatsanleihen nicht übernommen werden können, sondern werden automatisch
verlängert. So soll sichergestellt werden, dass Hilfszahlungen für neue
Investitionen genutzt werden und nicht zur Rettung von Gläubiger_innen. Das
führt dazu, dass EWF die Gläubiger_innen nicht mehr auslöst, wenn der Krisen-
Staat seine Schulden nicht mehr tragen kann. Die Marktpreise für alte Anleihen
werden folglich fallen. Die entsprechenden Abschreibungen müssen Gläubiger_innen
bzw. Spekulant_innen tragen.
Insolvenzrecht für Staaten
Wir fordern ein Insolvenzrecht für Staaten der Eurozone, das den Mitgliedern der
Währungsunion die Möglichkeit gibt, in einem regelgeleiteten Verfahren ihre
Schuldentragfähigkeit wiederherzustellen. Dies soll im Krisenfall ungeordnete
Verfahren, Planungsunsicherheit und Fehlanreize verhindern und dazu beitragen,
die Zahlungsfähigkeit von Krisenländern schneller wiederherzustellen. Das
Staateninsolvenzrecht muss auf verbindlichen Regeln für alle Beteiligten
basieren und mit einem klaren Reformprogramm verbunden sein. Letzteres soll
ebenfalls vom EWF überwacht werden.
Teilung der Kompetenzen der Europäischen Zentralbank (EZB)
Wir fordern, dass sich die EZB an ihr ursprüngliches Mandat der
Währungsstabilität hält und nicht monetäre Staatsfinanzierung durch die
Hintertüre betreibt. Das vorrangige Ziel der europäischen Zentralbank ist die
Gewährleistung von Preisstabilität, damit die Kaufkraft der gemeinsamen Währung
erhalten bleibt. Durch die Genehmigung von Liquiditätsmittel soll eine
Inflationsrate knapp unter 2% erreicht werden. Um den Fokus der EZB wieder
stärker auf ihre Hauptaufgabe für das Euro-Währungsgebiet zu legen, werden die
Aufgaben der Bankenaufsicht und die Re-Finanzierung von Staaten mit
Finanzproblemen von der Europäischen Finanzmarktaufsicht und dem EWF ausgeführt.
Handlungsfähiger Abwicklungsmechanismus für die Bankenunion
Wir wollen einen stringenten und handlungsfähigen Abwicklungsmechanismus bei
Bankenkrisen. Das System, dass Kosten auf die Allgemeinheit umgewälzt werden,
während der Nutzen dem engen Stakeholder-Kreis zugutekommt, muss der
Vergangenheit angehören. Daher fordern wir einen glaubhaften Übergang vom Bail-
out zum Bail-in. Wir sehen eine Vergemeinschaftung der Einlagensicherung auf
europäischer Ebene kritisch, setzen uns aber für eine Harmonisierung der
Absicherung ein. Die Einlagensicherung muss an die nationale Kaufkraft angepasst
werden. Kleinere Sparkassen, Volks- und Genossenschaftsbanken (nach der
Definition der EZB "Less Significant Institutions") sollen von Zahlungen in den
Abwicklungsfonds ausgenommen werden.
Bekämpfung der Steuervermeidung
Wir wollen ein einfacheres, faireres und stabileres Umfeld für Unternehmen
verwirklichen. Nur wenn es europaweit einheitliche Grundregeln gibt, kann ein
fairer und transparenter Wettbewerb stattfinden. Schlupflöcher und steuerliches
Untertauchen müssen effektiv bekämpft werden. Dafür braucht es unter anderem
eine EU-weite, effiziente Umsetzung der Anti-Tax-Avoidance Directive (ATAD) bzw.
Richtlinie zur Bekämpfung von Steuervermeidung. Diese schlägt fünf
rechtsverbindliche Maßnahmen gegen Missbrauch vor, die alle Mitgliedstaaten
gegen aggressive Steuerplanung durchsetzen müssen. Diese sind:
Hinzurechnungsbesteuerung, Switch-over Klausel, Wegzugsbesteuerung,
Hinzurechnungsmethode und Methodenwechsel.
Fairer Steuerwettbewerb mit gleichen Vorzeichen
Wir fordern eine einzige Steuererklärung für Unternehmen für alle ihre EU-
Aktivitäten. Dafür braucht es ein harmonisiertes System zur Berechnung der
steuerpflichtigen Gewinne von Unternehmen in der EU. Die gemeinsame
(konsolidierte) Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (G(K)KB) bzw. Common
Consolidated Corporate Tax Base (CCCTB) ist ein mächtiges Instrument zur
Bekämpfung der Steuervermeidung.
Umsetzung der OECD-Empfehlungen und bessere Abstimmung der Steuersysteme
Wir setzen uns für eine Harmonisierung der bilateralen
Doppelbesteuerungsabkommen von EU-Staaten ein. Zusätzlich fordern wir eine
zeitnahe Übernahme der OECD Updates in der EU mit dem Ziel eines EU-weit
einheitlichen Standardabkommens. Des Weiteren braucht es eine bessere Abstimmung
und Vereinfachung des Umsatzsteuer-Systems: Einen großen Teil der
Steuervermeidung in Europa, insbesondere im digitalen Bereich, macht die
Umsatzsteuerumgehung aus. Am besten zu lösen wäre dies durch ein generelles
Reverse-Charge-System (also der Übergang der Steuerschuld auf den
Leistungsempfänger) für die Abfuhr der Umsatzsteuer zwischen inländischen
Unternehmen sowie entsprechendes Reverse-Charge-System auf europäischer Ebene.
Langfristiges Ziel ist, dass nur mehr der/die Letzte in der Wertschöpfungskette
die Umsatzsteuer deklariert und abführt.
Wirtschaftswachstum neu messen
Wir stehen für neue Maßeinheiten zur Bewertung des wirtschaftlichen Erfolgs von
alternativen Kennzahlen zur Messung des Wohlstandes. Alternative zusätzliche
Indikatoren umfassen beispielsweise Daten zu Gesundheit, Bildung, Zufriedenheit.
Damit können wir Wohlstand und Lebensqualität besser abbilden. Wir fordern
daher, dass entsprechende Parameter als Beilage zum BIP in den entsprechenden
Länderberichten der EU-Kommission stärker zum Ausdruck kommen.
Die Europäische Union steht als globaler Akteur unter dem Druck nationalistisch
und rücksichtslos agierender Mächte wie den USA, China und Russland. Vielerorts
zeichnet sich ein Trend zu einer illiberalen Welt ab. Wir beobachten eine Abkehr
vom Multilateralismus, von einer Internationalen Rechtsordnung und ihrem Ersatz
durch reine Machtpolitik. Die EU agiert nach wie vor nicht einheitlich und hat
so diesem Trend wenig entgegenzusetzen.
Das Engagement großer handelspolitischer Mächte für eine Handelspolitik mit
hohen Standards geht zurück. Vielmehr wird der Abschluss stabiler und
transparenter Handelsabkommen oft von nationalistischer, protektionistischer
Politik blockiert. Das macht die EU z.B. im Fall von Handelskriegen verwundbar.
In der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) sind die EU-Mitgliedstaaten zwar
weltweit der größte Geldgeber, doch die bilateralen Maßnahmen sind nicht
aufeinander abgestimmt. Sie werden von Partikularinteressen gesteuert und die
Beiträge sinken.
Rüstungsexporte in Drittstaaten werfen für die Europäische Gemeinschaft
regelmäßig schwierige ethische Fragen auf. Gleich mehrere EU-Staaten befinden
sich in der Liste der größten Waffenexporteure der Welt. EU-Staaten exportieren
nach wie vor in Staaten mit problematischer Haltung zu Menschenrechten und an
autoritäre Systeme, von denen einige auch in gewaltsame Konflikte involviert
sind. Die Rüstungsexportkontrolle auf europäischer Ebene gewährleistet in ihrer
gegenwärtigen Form weder, dass diese Exporte mit den europäischen Werten im
Einklang sind, noch sorgen sie innereuropäisch für gleiche
Wettbewerbsvoraussetzungen.
Trotz zahlreicher Bemühungen der Europäischen Union gibt es weiterhin in vielen
Staaten des Westbalkans große Probleme mit der Rechtsstaatlichkeit und dem Kampf
gegen Korruption und organisiertes Verbrechen. Gleichzeitig ist die
Arbeitslosigkeit, besonders unter Jugendlichen, hoch. Die Region wird zunehmend
zum Spielball anderer geopolitischer Mächte und ist anfällig für radikales
Gedankengut und politische Hoffnungslosigkeit.
Die Türkei – lange ein verlässlicher Partner in Sachen Handel und Sicherheit –
wendet sich in den letzten Jahren von europäischen Werten ab. Der systematische
Kampf gegen liberales Gedankengut, gegen die Meinungs- und Pressefreiheit,
schließt derzeit einen Beitritt der Türkei zur EU aus.
Durch die Entscheidung der Briten für den Austritt aus der EU ist Großbritannien
innenpolitisch ins Chaos geschlittert. Die Gestaltung eines zukünftigen
Verhältnisses zwischen den Briten und der Union gestaltet sich schwierig. Zudem
wird bei der Außen- und Sicherheitspolitik die Stimme der Briten fehlen.
Europa ist ein selbstbewusster globaler Akteur, der die europäische Souveränität
verteidigt, statt die nationale. Europa bleibt im Umgang mit allen
internationalen Partnern seinen Werten treu und spricht mit einer einzigen
starken Stimme nach außen. Europa bemüht sich fortwährend um die Stärkung des
internationalen Rechts, der internationalen Institutionen und der multilateralen
Zusammenarbeit, um so zielorientiert zu der Lösung der ökologischen,
wirtschaftlich und sozialen Probleme beitragen zu können.
Europa stärkt den offenen und regelbasierten Handel weiter und hält durch den
dadurch gewonnen Einfluss globale Standards bei Produktqualität, Umweltschutz
und sozialen Rechten hoch. Wachstumschancen durch Freihandel werden genutzt und
weitere Investitionen angezogen. Der von der Europäischen Union betriebene,
wertebasierte Freihandel schafft Wohlstand und fördert Fortschritt und
firedliches Zusammenleben in der europäischen Nachbarschaft und der ganzen Welt.
Die WTO wird weiterentwickelt, denn wirtschaftlich stärker verflochtene Länder
führen selten Krieg gegeneinander.
Die Entwicklungszusammenarbeit erfolgt gemeinschaftlich. Durch gezielte Projekte
können echte Fortschritte bei der Bekämpfung von Armut und der Schaffung von
Perspektiven in den EU-Partnerländern gemacht werden. Ein verstärkter Fokus auf
die bestehenden Exportgüter dieser, insbesondere afrikanische Länder, kann ihre
Exporte in die Europäische Union um ein Vielfaches erhöhen, was zum Beispiel
Millionen von Bauern/Bäuerinnen und in der Textilbranche tätigen Menschen
erhöhte Einkommen verschafft.
In ihrer Nachbarschaft investiert die Europäische Union in stabile
Partnerschaften und eine starke Zivilgesellschaft. Ein
Städtepartnerschaftsprojekt zwischen europäischen und afrikanischen Städten ist
Leuchtturm eines gelungenen Austausches. Am Westbalkan wurden mit der
Unterstützung von Infrastrukturprojekten europäische Investitionen
vorangetrieben und der Weg für nachhaltige Arbeitsplätze geebnet. Dies gibt auch
Anstoß für weitere rechtsstaatliche Reformen. Die Europäische Union hat mit
Großbritannien und der Türkei unterschiedliche, stabile Partnerschaften abseits
der Vollmitgliedschaft aufgebaut.
Echte Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
Die Außenpolitik der Europäischen Union und damit der/die Hohe Vertreter_in
verdient echten Entscheidungsspielraum und die Unterstützung aller
Mitgliedstaaten. Er/Sie soll ein/e echte/r Außenminister_in für die EU werden.
Die Union soll ihre 2016 entschiedene klare wertebasierte Europäische
Globalstrategie bedienen, anstatt 28 (bald 27) nationalstaatliche
Partikularinteressen. Dazu muss auch das Einstimmigkeitsprinzip im Bereich der
Durchführung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und der
Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) abgeschafft werden.
Stattdessen soll per qualifizierter Mehrheit entschieden werden (55 Prozent der
Mitgliedstaaten und 65 Prozent der Einwohner_innen). Als Zwischenschritt wäre es
denkbar, die Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips im Bereich der GASP/GSVP
zumindest einzuschränken.
Wertebasierter Freihandel
Offener, wertebasierter, freier Handel mit möglichst vielen Staaten weltweit
fördert den Wohlstand Europas und jenen unserer Handelspartner. Damit alle davon
profitieren können, sind klare Regeln notwendig. Transparente Abkommen mit
effektiven Schlichtungsverfahren sind die einzige Antwort auf die Willkür
unberechenbarer politischer Führungspersönlichkeiten und die Gefahr von
Handelskriegen. Wir setzen uns für den Abschluss weiterer Freihandelsabkommen
und die regelkonforme Implementierung bereits abgeschlossener Verträge ein.
Gleichzeitig wollen wir die Diskussion um solche Abkommen von einer
polarisierten Angstdebatte zurück zu einem faktenbasierten politischen Diskurs
führen.
Vergemeinschaftung der finanziellen Mittel für die Entwicklungspolitik
Öffentliche Entwicklungshilfeleistungen sind die Grundlage dafür, in
Partnerländern systemische Veränderungen und den Aufbau von nachhaltigen
Strukturen zu erzielen. Wir sind für eine Vergemeinschaftung der finanziellen
Mittel der Entwicklungszusammenarbeit auf europäischer Ebene. Damit können wir
einen effizienten und kompetenten Beitrag zur Lösung globaler Herausforderungen
und zur Erreichung der Sustainable Development Goals (SDGs) beitragen und
zugleich Partikularinteressen effektiv entgegenwirken. Die Fachkompetenzen der
Mitgliedstaaten in den jeweiligen Sektoren sollen so effizienter unterstützt und
weiterentwickelt werden, damit diese die gemeinsame EZA der EU effektiv umsetzen
können. Alle Agenden und Mittel der EZA sollen in einer EU-
Implementierungsagentur zusammengefasst werden, um einen effizienten Einsatz der
Mittel mit der fachkundigen Expertise der einzelnen Mitgliedstaaten zu
gewährleisten.
Bildung im Fokus der Investitionen in Partnerstaaten
Wir fordern einen verstärkten Fokus auf Bildungsinvestitionen in den
Partnerstaaten. Europäischen Unternehmen kommt insbesondere bei Vorhaben im
Bereich der Berufsbildung eine wichtige Katalysatorfunktion zu. Um
nachfrageorientierte Ausbildungsmodelle aufsetzen zu können, müssen europäische
Unternehmen und lokale Verbände als Bildungspartner mobilisiert werden. Ein
besonderer Fokus soll auf die Beitrittskandidaten gelegt werden, wobei der
Ansatz auch als Grundlage für die Zusammenarbeit mit anderen Staaten dienen
soll.
1000 Städtepartnerschaften für Europa & Afrika
Städte überall auf der Welt stehen vor ähnlichen Herausforderungen. Es geht um
Wasserversorgung, Abfallwirtschaft, Verkehrsplanung, effiziente Verwaltung,
Krankenhäuser, Schulen, Sicherheit und vieles mehr. Europäische Städte können
ihre Expertise und ihre Erfahrungen weitergeben. Sie können so gemeinsam mit der
Europäischen Union direkt vor Ort ihren Beitrag dafür leisten, dass sich Städte
in Schwellen- und Entwicklungsländern entwickeln und funktionierende Märkte
entstehen können. Wir fordern 1000 Partnerstädte für Europa, von Tallinn über
Wels bis Málaga und Thessaloniki und auf der anderen Seite des Mittelmeers von
Casablanca über Tripolis bis Asmara in Eritrea. Die Partnerschaft soll sich
unterstützt vom Europäischen Ausschuss der Regionen auf die Expertise der
jeweiligen Städte konzentrieren, um hier maximalen Fortschritt zu erzielen.
Unterstützung der Einrichtung von Sonderentwicklungszonen entlang der
Migrationsrouten
Flucht und Migration finden überwiegend zwischen benachbarten
Entwicklungsländern mit begrenzten Aufnahmekapazitäten und wirtschaftlichen
Möglichkeiten statt. Deshalb muss die Europäische Union besonders diese
Aufnahmegesellschaften unterstützen. Wir setzen uns für die Einrichtung von
Sonderentwicklungszonen nach den Konzepten anerkannter Expert_innen in diesem
Bereich ein. Dort sollen der Arbeitsmarkt und das Sozialsystem für Flüchtlinge
und Migrant_innen voll geöffnet sein. Im Gegenzug räumt die EU von dort
stammenden Produkten einen erleichterten Zugang zum EU-Markt ein. Dadurch sollen
neue Lebensräume entlang der Migrationsrouten geschaffen und die wachsenden
Städte gefördert werden. Wenn man mehrere solche Zonen über verschiedene
afrikanische Länder verteilt, können dort Millionen von Menschen vernünftig
leben. Mögliche Standorte wären etwa zwischen Somalia und Kenia, in Libyen,
Westafrika und entlang der Migrationsrouten.
An der Gemeinsamen Außenpolitik orientierte Rüstungsexportkontrolle
Auf europäischer Ebene besteht kein einheitliches System der
Rüstungsexportkontrolle. Zwar sind 26 EU-Staaten Mitglieder des Wassenaar-
Abkommens für Exportkontrollen von konventionellen Waffen und
doppelverwendungsfähigen Gütern und Technologien, doch ist dieses nicht bindend.
Einige EU-Staaten haben strenge Regeln für den Waffenexport, andere eher laxe.
Das führt zu ungleichen Wettbewerbsvoraussetzungen auf dem innereuropäischen
Rüstungsmarkt, aber auch zu intransparenten Entscheidungen und einem
uneinheitlichen Agieren nach außen. Wir fordern eine einheitliche und bindende
Lösung zur Kontrolle von Waffenexporten und doppelverwendungsfähigen Gütern, die
sich an den Leitlinien der europäischen Gemeinsamen Außen- und
Sicherheitspolitik orientiert und an politischer Stabilität des importierenden
Staates, Achtung der Menschenrechte und daran, ob ein Staat in eine kriegerische
Auseinandersetzung involviert ist.
Infrastrukturoffensive für den Westbalkan
Das Beibehalten der Beitrittsperspektive für die Staaten des Westbalkans, wie in
der Westbalkanstrategie der Europäischen Kommission festgelegt, ist ein
zentraler Punkt bei der Weiterentwicklung der Beziehungen der EU mit dieser für
uns so wichtigen Region. Die Europäische Union ist der größte Investor und
Handelspartner der Westbalkanstaaten. Damit diese schneller an uns heranrücken,
die EU-Investments am Westbalkan abgesichert werden und der Markt für weitere
Investitionen geöffnet wird, um nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen, braucht
es eine Infrastrukturoffensive. Diese beinhaltet einen massiven Ausbau des
Straßen-, Schienen-, Strom- und Telekommunikationsnetzes (Glasfaser) sowie
sauberer Energieformen. Das ist zwar sehr kostspielig, bringt aber in der
Nachbarschaft der Europäischen Union auf lange Sicht mehr, als
Entwicklungsprojekte und Symptombekämpfung im Sicherheitsbereich. Um ein gutes
Umfeld für europäische Investments und somit die Schaffung von Arbeitsplätzen zu
gestalten, braucht es eine verlässliche Infrastruktur.
Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei
Während die Türkei bereits seit den 90er Jahren über Kandidatenstatus für die
Aufnahme in die Europäische Union verfügt, haben sich nicht nur ihre Chancen für
einen Beitritt verflüchtigt, sondern offenbar auch ihr Interesse daran. Die
türkische Regierung unterdrückt und inhaftiert Intellektuelle und
Journalist_innen, Oppositionelle und andere Gegner des Erdogan-Regimes. Sie
schränkt Minderheitenrechte ein und führt Krieg gegen die liberale Demokratie.
Wenn Europa sich selbst ernst nimmt, kann es darauf nur eine Antwort geben: den
Abbruch der Beitrittsverhandlungen. Ungeachtet dessen muss Europa weiterhin auf
Unterstützung von und Dialog mit zivilgesellschaftlichen Organisationen setzen,
die sich für Demokratie und Rechtstaatlichkeit in der Türkei einsetzen.
Klare europäische Linie bezüglich Russland
Wir wollen ein unverzügliches Ende der Gewalt in der Ostukraine und der
völkerrechtswidrigen Besetzung der Krim sowie den Wiederaufbau einer
vertrauensvollen Beziehung zu Russland. Für uns sind die Prinzipien des
Völkerrechts und der Menschenrechte in der europäischen Friedensordnung nicht
verhandelbar. Daher stehen wir ausdrücklich zu den von der EU verhängten
Sanktionen. Bei einem substanziellen Einlenken Russlands können sie gelockert
oder aufgehoben werden. Wir müssen in die Medienkompetenz der Bürger_innen
investieren, damit diese die demokratiegefährdende Propaganda von Seiten
Russlands erkennen können. Gleichzeitig bleiben wir mit Russland wirtschaftlich,
kulturell und politisch eng verbunden und wollen Gesprächskanäle offenhalten.
Dazu fordern wir die Aufhebung der Visumspflicht für russische Schüler_innen und
Studierende sowie aktivere Bewerbung von Schüler_innen- und
Studierendenaustauschprogrammen zwischen Russland und der EU und die
Unterstützung zivilgesellschaftlicher Organisationen.
Beziehungsneustart mit Großbritannien
Europa muss aus der desaströsen Entwicklung des Brexit einerseits seine Lehren
ziehen und in jedem Falle verhindern, dass so etwas jemals wieder passiert.
Andererseits sollen Großbritannien für einen erneuten Beitritt nicht nur
rechtlich die Türen offenstehen, sondern die Union muss weiterhin eine
ausgestreckte Hand in Richtung unserer britischen Freund_innen halten und die
größtmögliche Nähe des UK zur EU anstreben. Großbritannien ist und bleibt ein
europäischer Staat, der die europäischen Werte im Herzen trägt und europäische
Diplomatie über Jahrhunderte maßgeblich mitgestaltet hat und hat somit einen
Platz in der Europäischen Union. Das soll unser Ziel sein.
Die Union geriet in den letzten Jahren durch Fluchtbewegungen aus Krisengebieten
und größeren Migrationsbewegungen aus ökonomischen Gründen vermehrt unter Druck.
Die Mitgliedstaaten reagierten mit unkoordinierten Einzelmaßnahmen anstatt mit
einer gemeinsamen europäischen Strategie. Irreguläre Migrant_innen mischen sich
mit Schutzsuchenden und stellen Asylanträge in europäischen Staaten. In Italien,
für viele das Land, durch das sie in die EU einreisen, warten Asylwerber_innen
in der Folge mindestens zwei Jahre auf eine erstinstanzliche Entscheidung und
weitere zwei Jahre für eine Entscheidung im Berufungsverfahren. Auch in
Österreich sind lange Verfahrensdauern keine Seltenheit. In der Regel bleibt
momentan fast jede/r, der/die nach Europa gelangt, hier, denn es bestehen nach
wie vor nur mit wenigen der Top Herkunftsstaaten verlässliche Rücknahmeabkommen.
Für den Asylbereich sieht das bisherige Dublin-System vor, dass grundsätzlich
jener Staat für Asylanträge zuständig ist, in dem Schutzsuchende erstmals EU-
Boden betreten haben. Diese Regel belastet die EU-Mitgliedstaaten an den
Außengrenzen, wie etwa Italien, Spanien oder Griechenland, überproportional. Ein
kooperatives System der gerechten Verteilung von Schutzberechtigten auf die EU-
Staaten scheitert bisher an Blockaden durch einige Mitgliedstaaten.
Die im Jahr 2018 aufgekommenen Vorschläge über Aufnahmezentren in Drittstaaten
verkomplizierten die Debatte zunehmend. Es besteht keinerlei Konsens darüber, wo
solche Aufnahmezentren für Schutzsuchende eingerichtet werden könnten, denn kein
Drittstaat ist bisher damit einverstanden. Gleichzeitig gibt es keinen
realistischen Vorschlag dazu, wie solche Konzepte völker- und
menschenrechtskonform umgesetzt werden könnten.
Die Union ist gefordert, eine Asyl- und Migrationspolitik zu betreiben, die
nachhaltig ist und rechtsstaatlichen Grundsätzen sowie menschenrechtlichen
Normen gerecht wird. Nicht jede/r, der/die das möchte, kann uneingeschränkt in
Europa einreisen und hier leben. Es braucht klare Regeln und
Steuerungsmechanismen für die Migrationsbewegungen der Gegenwart und der
Zukunft. Parallel gilt es, die Personenfreizügigkeit (Reisefreiheit) innerhalb
der europäischen Union für Unionsbürger_innen zu garantieren. Unkontrollierte
Grenzübertritte und Binnenwanderungen von Schutzsuchenden müssen unterbunden
werden.
Gleichzeitig gelangen jedes Jahr doppelt so viele Arbeitsmigrant_innen,
Saisonarbeiter_innen, Student_innen, Wissenschaftler_innen und Personen, die
durch Familienzusammenführung einreisen, legal in die Europäische Union wie
irreguläre Migrant_innen. Die Union erreicht laut OECD nach wie vor nicht
annähernd ihr volles Potenzial, qualifizierte Fachkräfte anzuziehen. Nur etwas
über 25% der Einwander_innen verfügen über Hochschulbildung. Eine
bedarfsorientierte Steuerung der Arbeitsmigration konnte bislang weder auf EU-
noch auf nationaler Ebene zufriedenstellend organisiert werden. Reformen für die
Blue Card scheitern bisher an den Mitgliedstaaten.
Die lösungsorientierte Debatte in den Politikfeldern Asyl, Migration und
Integration versinkt zunehmend in einem emotional aufgeladenen Populismus, der
nicht an Lösungen, sondern daran interessiert ist, aus den Problemlagen
politisches Kapital zu schlagen. Angst und Angstmache werden zum politischen und
medialen Geschäftsmodell. Die Spaltung der Gesellschaft wird bewusst in Kauf
genommen und vorangetrieben.
Die Europäische Union ist stolz auf ihre lange Tradition in der Aufnahme von
Schutzsuchenden, die nicht zuletzt auch von den Fluchterfahrungen der
europäischen Bevölkerung vor Krieg und Verfolgung durch die totalitären Systeme
des 20. Jahrhunderts tief geprägt ist. Sie begegnet gegenwärtigen und künftigen
Herausforderungen in diesem Bereich mit Solidarität und Vernunft. Das
Asylantragsrecht nach Maßgabe der Genfer Konvention und der EU-Grundrechtecharta
auf europäischem Territorium ist ein Recht, das in der Europäischen Union fix
besteht. Die Union bekennt sich zum UN-Flüchtlingspakt.
Die Union verfügt über ein gemeinsames Asylsystem mit einheitlichen Standards.
Eine EU-Asylbehörde verwaltet nach einer Grundabklärung in Aufnahmezentren an
der EU-Außengrenze dezentral die Verfahren von Antragstellung bis zur
Entscheidung in den Mitgliedstaaten. Rasche und qualitätsvolle Verfahren sorgen
für Rechtssicherheit und die Einhaltung von völker- und menschenrechtlichen
Verpflichtungen. Personen mit negativem Asylbescheid werden sofort in die
Herkunftsländer zurückgeschickt. Frontex wurde besser ausgestattet und ihr
Mandat der Aufgabe entsprechend erweitert. Gleichzeitig sorgen Schutzzentren in
den Top-Herkunftsstaaten und in allen Staaten entlang den Migrationsrouten
dafür, dass Menschen vor Verfolgung sicher sind und dennoch in ihrer
Herkunftsregion bleiben können.
Durch legale Migrationsmöglichkeiten können ausgebildete Fachkräfte und
potentielle Arbeitskräfte in Mangelberufen nach Europa gelangen. Die Union setzt
Maßnahmen um, die einen Brain-Drain in den Herkunftsstaaten verhindern. Durch
ein System von Anreizen werden Fachkräfte ermutigt, nach Ausbildung und
gewonnener Arbeitserfahrung in Europa ihre Kenntnisse auch in ihren
Herkunftsländern einzusetzen.
Koalition der Entschlossenen
Wir fordern zeitnahe Lösungen bis es zu einer unionsweiten Realisierung eines
gemeinsamen Asylsystems und einheitlichen Bestimmungen für Rückführungen kommt.
Deshalb soll eine Koalition von entschlossenen Staaten unter Beteiligung
Österreichs voran gehen und ein gemeinsames Asylsystem einführen sowie auf
konsequente und zeitnahe Umsetzung von bereits vorhandenen
Kommissionsvorschlägen drängen. Zudem fordern wir eine verstärkte Teilnahme
aller Mitgliedstaaten an freiwilligen Resettlement-Programmen in Zusammenarbeit
mit dem UNHCR.
Rasche Umsetzung der Kommissionsvorschläge zur Reform des europäischen
Asylsystems
Das Maßnahmenpaket der Europäischen Kommission stellt ein dringend benötigtes
Update der aktuellen EU-Rechtslage auf dem Gebiet der Asylpolitik dar und sollte
als erster Schritt so schnell wie möglich umgesetzt werden. Diese im Sommer 2016
vorgelegten sieben Gesetzesvorschläge beinhalten eine umfassende Reform des
europäischen Asylsystems. Sie verfolgen die Ziele, die Aufnahmestandards und
Verfahrensvorschriften zu harmonisieren, europäische Verfahren auf
internationalen Schutz einheitlich, effizient und fair zu gestalten sowie die
Aufteilung von Asylwerber_innen solidarischer zu gestalten und Binnenmigration
zu stoppen. So ist darin etwa auch ein einheitlicher Arbeitsmarktzugang nach
sechs Monaten sowie eine Residenzpflicht für Asylwerber_innen vorgesehen.
Schutzsuchenden muss es möglich sein, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen,
denn zentraler Schlüssel zur erfolgreichen Integration ist Beschäftigung.
Gemeinsame europäische Asylbehörde mit Grundabklärung an der EU-Außengrenze
Künftige Herausforderungen können nur mit einem gemeinsamen EU-Asylsystem
nachhaltig gelöst werden. Die Schaffung einer europäischen Asylbehörde sorgt
dafür, dass die Standards und Kriterien für die Gewährung von internationalem
Schutz einheitlich sind. Dies bedeutet, dass anstelle der nationalen
Asylbehörden eine europaweite Behörde für das Verfahren von der Antragstellung
bis zur Entscheidung zuständig ist. In Aufnahmezentren an der EU-Außengrenze
soll eine Grundabklärung durchgeführt werden: Schutzsuchende mit hoher
Bleibewahrscheinlichkeit (z.B. aus Kriegsregionen) werden auf die
Mitgliedstaaten verteilt; jene, die aus sicheren Drittstaaten kommen und keinen
Asylgrund glaubhaft machen können, werden in die Herkunftsländer zurückgeführt.
Nach positiver Grundabklärung werden die Schutzsuchenden zunächst auf Basis von
freiwillig zur Verfügung gestellten Resettlement-Kontingenten auf die
Mitgliedstaaten verteilt. Sollten diese in Zeiten mit hohen Antragszahlen nicht
ausreichen, tritt automatisch ein Entlastungsschlüssel zur verpflichtenden
Aufteilung in Kraft. Dieser wird anhand von BIP, Bevölkerung und bisher
erbrachten Leistungen in Bezug auf Asylwerber_innen berechnet, um
Mitgliedstaaten, die bereits viele Personen aufgenommen haben, zu entlasten. Die
Weigerung sich an solch einem gemeinsamen Asylsystem zu beteiligen, kann neben
monetären Konsequenzen den Ausschluss aus dem Schengenraum zur Folge haben
(Schengen 2.0).
Rasche Verfahren und konsequente Rückführungen
In den Mitgliedstaaten sollen rasche und qualitätsvolle Verfahren durch die
Außenstellen der gemeinsamen europäischen Asylbehörde für Rechtssicherheit und
die Einhaltung von völker- und menschenrechtlichen Verpflichtungen sorgen. Die
maximale Dauer bis zur zweitinstanzlichen Entscheidung soll 180 Tage betragen.
Bis zur Realisierung der EU-Asylbehörde werden die Verfahren nach einheitlichen
europarechtlichen Standards von den Behörden der Mitgliedstaaten durchgeführt.
Ein negativer Asylbescheid bedeutet: entschlossene Rückführung in die
Herkunftsländer. Wer kein Recht hat zu bleiben, hat die Pflicht zu gehen. Dies
soll durch die konsequente Anordnung der Schubhaft, Förderung der freiwilligen
Rückkehr, sowie den Ausbau von Rückkehrprogrammen erreicht werden.
Die EU muss sofort und konsequent den Ausbau von Rückführungsabkommen mit den
wichtigsten Herkunftsländern verstärken. Um deren Abschluss zu ermöglichen,
sollte die Union je nach Verhandlungslage und Erfolgsaussicht Anreize (wie z.B.
Entwicklungshilfezahlungen, verstärkte Wirtschaftskooperationen, Kontingente für
legale Migration in Form von Arbeitsvisa oder Stipendien) bzw. Druckmittel (wie
z.B. eine strengere Visapolitik) einsetzen. So wird eine gezielte und
kontrollierte Migration und die Einhaltung von völker- und menschenrechtlichen
Verpflichtungen gewährleistet.
Schutzzentren entlang der Hauptmigrationsrouten
Menschen, die sich, aus welchem Grund auch immer, aus ihrem Heimatland auf den
Weg machen, muss die Möglichkeit auf Schutz vor Verfolgung und eine
menschenwürdige Unterbringung gegeben werden. Daher fordern wir vom UNHCR und
der Internationalen Organisation für Migration (IOM) betriebene Schutzzentren in
den Top-Herkunftsstaaten und in allen Staaten entlang der Hauptmigrationsrouten,
in denen Menschen sicher sind. Gleichzeitig soll es in diesen Zentren die
Möglichkeit geben, Menschen in ihre Herkunftsstaaten rückzuführen, wie dies
bereits jetzt von der IOM gemacht wird. Asylanträge können dort keine gestellt
werden. Auf diese Weise entsteht in den Staaten Nordafrikas kein großer
Migrationsdruck mehr und Länder entlang der Migrationsrouten werden entlastet.
→ Fluchtursachenbekämpfung siehe Außenpolitik-Kapitel
Verbesserung des Außengrenzschutzes
Europa braucht eine echte Grenzschutzbehörde, wie dies zum Teil im am 12.
September 2018 veröffentlichten Vorschlag der EU-Kommission vorgeschlagen wird.
Frontex braucht eigene Mittel (zur Land-, Luft-, und Seeüberwachung), mit denen
der Grenzschutz organisiert wird. Wenn das Frontex-Mandat in diesem Sinne
erweitert wird, muss gleichzeitig die Dublin-Neuverordnung, ein europäisches
Asylsystem und die Zukunft des Schengenraums diskutiert und entschieden werden.
Der Entwurf der neuen Frontex Verordnung fordert konsequenterweise, dass Frontex
in Drittstaaten aktiv werden kann und diese Länder auch (etwa am Westbalkan) bei
Rückführungen unterstützen kann. Diesen Staaten fehlen oft z.B. Flugzeuge,
Menschenrechtsexpert_innen, etc., um Rückführungen durchzuführen. Für den Ausbau
der Kooperation mit Drittstaaten braucht es verlässliche Abkommen.
Rückkehr- und Chancenprogramme für Menschen mit subsidiärem Schutz sowie
Vermeidung von Brain-Drain
Viele Menschen fliehen heute nicht aufgrund von persönlicher Verfolgung, sondern
vor Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts. Diese Menschen erhalten in der
Regel subsidiären Schutz, der grundsätzlich über einzelne Verlängerungen nur für
die Dauer des Konflikts gewährt wird. Viele dieser Flüchtlinge haben in EU-
Mitgliedstaaten vertiefende Ausbildungen abgeschlossen und Wissen gewonnen, das
im Rahmen des Wiederaufbaus dringend benötigt wird. Schutzsuchenden, die bereit
sind, am Ende eines Konflikts für eine Dauer von zwei Jahren freiwillig in ihr
Herkunftsland zurückzukehren, sollen dafür anschließend erleichterte Arbeits-
und Aufenthaltsbedingungen in den EU-Mitgliedstaaten gewährt werden. Ähnliche
Programme soll es für jene Menschen geben, die aufgrund eines akuten
Arbeitskräftemangels legal nach Österreich bzw. die EU immigrieren. Auch hier
soll eine erleichterte Arbeitserlaubnis mit einer Bereitschaft, das gewonnene
Fachwissen anschließend im Heimatstaat zu nützen, verbunden werden. Bildung und
Know-How ist für uns die stärkste Wirtschafts- und Entwicklungshilfe.
Evaluierung und Reform der Blue Card
Die EU braucht nicht nur hochqualifizierte Kräfte, sondern auch andere
Schlüssel- und Fachkräfte, um in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben. Daher ist
es notwendig, die europäische Blue Card zu reformieren und zu erweitern. Damit
können wir ein effizientes System erfolgreicher Arbeitsmigration für ganz Europa
schaffen. Es braucht einheitliche Kriterien, Standards und Regeln in allen
Mitgliedstaaten sowie eine gemeinsame Analyse, wie viele Fachkräfte in welchem
Zeitraum und in welchen Branchen und Mitgliedstaaten notwendig sind (EURES
stärken). Die Kriterien für eine Blue Card müssen transparent und leicht
zugänglich sein (etwa ein Online Register für in Frage kommende Berufe und
Qualifikationen). Durch die Blue Card soll Zugang für qualifizierte
Arbeitskräfte zum gesamten europäischen Arbeitsmarkt geschaffen werden und auch
die Mobilität innerhalb der EU erleichtert werden.
Europa ist spätestens seit der Krim-Krise und der Trump-Wende zur „USA-First“-
Außenpolitik und die dadurch entstehenden Gelegenheiten für andere globale
Großmächte, sich (über-)regionale Vormachtstellungen zu sichern, mit neuen
sicherheitspolitischen Fragestellungen konfrontiert: Gewaltandrohung und -
einsatz, dem Wettrüsten und Partnerschaften, die über Jahrzehnte stabil
bestanden haben, verlieren an Verlässlichkeit. Die neue geopolitisch-
militärische Relevanz Chinas und die Spannungen zwischen Russland und den USA
bzw. der EU haben die außen- und sicherheitspolitischen Anforderungen an Europa
dramatisch erhöht. Andere Mächte, die Europa nicht nur wohlgesinnt sind, haben
gelernt, die europäischen Schwächen schnell zu erkennen und zu ihrem eigenen
Vorteil zu nutzen.
Für Europa ist es in diesem internationalen Umfeld von größter Bedeutung, in
Verteidigungs- und Sicherheitsfragen näher zusammenzurücken. Mangelnder
politischer Wille, nationale Engstirnigkeit und wenig praktikable
Entscheidungsstrukturen verunmöglichen schnelle Reaktionen der EU. Die
europäischen Staaten – auch Österreich – müssen sich darüber klar werden, wie
viel Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik notwendig ist und welchen
Beitrag sie zur europäischen Verteidigungsarchitektur leisten wollen. Die EU-
Staaten haben zusammen die zweithöchsten militärischen Ausgaben weltweit.
Mangelnde europäische Kooperation belastet nationale Budgets und erbringt nur
einen Bruchteil an möglicher Effektivität: 80% der Beschaffung und 90% der
Forschung und Entwicklung erfolgen auf nationalstaatlicher Ebene. Damit drohen
wichtige Zukunftsfragen in den Hintergrund zu geraten. Der militärischen
Effizienzsteigerung stehen also immer noch zu geringe Interoperabilität, wenig
Zusammenwachsen der Verteidigungsinfrastruktur, bei der Ausrüstung und Mobilität
entgegen. In Europa gibt es zum Beispiel 20 Flugzeugtypen, in den USA nur sechs.
Europas Zugang ist teurer, umständlicher und erschwert Kooperation unter den
Mitgliedstaaten. Auch beim Thema künstliche Intelligenz hinkt Europa in Fragen
der Regulierung dem Fortschritt hinterher.
In den vergangenen Jahren wurden immer wieder Europäer_innen Opfer von
Terrorismus und extremistischen Attacken. Immer enger verweben sich Netzwerke
organisierter Kriminalität mit dschihadistischen und anderen radikalen,
gewaltbereiten Gruppierungen. Gleichzeitig häufen sich Fälle von
nationalistischer, rassistischer und religiös motivierter Gewalt, die eine
Gefahr für das friedliche Zusammenleben von allen in Europa lebenden Menschen
darstellen.
Im Bereich des organisierten Verbrechens sind Cybercrimes aller Art, sowie
Menschen-, Drogen- und Waffenschmuggel auf dem Vormarsch. Zudem häufen sich
Geldwäsche, Dokumentenfälschung und Umweltverbrechen. Die schnelle
Vervielfältigung bestimmter Bedrohungen verlangt nach weiteren
Integrationsschritten im Sicherheitsbereich. Die Herausforderung besteht darin,
nicht nur Daten zu sammeln, sondern diese auch effektiv zu analysieren, an
relevante Organe zu verteilen, Risiken vorherzusehen und schnell zu reagieren.
Die durch mangelnde Kooperation innerhalb der EU bedingte Anfälligkeit für
hybride Bedrohungen gewinnt immer mehr an Relevanz. Staatliche und nicht-
staatliche Akteure verwenden Desinformationskampagnen, Terroranschläge,
Einflussnahme im Energiesektor, Cyberangriffe, aber auch Spionage, Korruption
und anderen Maßnahmen, um das Vertrauen in demokratische Institutionen zu
untergraben und Europa so zu schwächen.
Die Europäische Union ist ein schnell und flexibel handlungsfähiger Akteur, der
seine Entscheidungen im Sicherheits- und Verteidigungsbereich auf Basis des
internationalen Rechts und der in den Verträgen festgelegten europäischen Werte
trifft. Das gilt für das militärische Eingreifen in gewaltsame Konflikte genauso
wie für ziviles globales Krisenmanagement. Europa trägt dazu bei, die globale
Sicherheit zu stärken und schützt seine Bevölkerung. Als verlässlicher Partner
gleichgesinnter Staaten und internationaler Organisationen agiert eine
selbstbewusste Union sicherheitspolitisch mit mehr Eigenständigkeit, aber
unabhängig in enger Zusammenarbeit mit globalen Partnern und spricht dabei mit
einer Stimme.
Europa begegnet den Bedrohungen mit einer starken Gemeinsamen Sicherheits- und
Verteidigungspolitik (GSVP), die mit globalen Partnern sensibel gegenüber
rasanten geopolitischen, technologischen und gesellschaftlichen Veränderungen
Anpassungsfähigkeit an neue Anforderungen beweist. Statt die Augen vor den
rasanten Entwicklungen im Sicherheitsbereich zu verschließen, greift Europa neue
technologische Ansätze und Prozesse, die Erfolg versprechen, schnell auf und
ermutigt enge Zusammenarbeit zwischen Entwicklern und Regulatoren. Damit wird
eine schnelle Anpassung des europäischen Rechts an neu entstehende Umstände
gewährleistet.
Die Analyse von gegenwärtigen und zukünftigen Bedrohungen erfolgt gemeinsam. Im
Bereich der Vernetzung von Informations- und Nachrichtendiensten setzt die EU
auf vertrauensbildende Maßnahmen und gemeinsame Standards. Europa schafft die
notwendigen Rahmenbedingungen für einen gemeinsamen Nachrichten- bzw.
Geheimdienst. Die Union räumt Europol ein den Herausforderungen angemessenes
Mandat für grenzübergreifende Ermittlungen ein.
Die Union setzt weitere Integrationsschritte im Bereich Verteidigung und
Sicherheit um. An deren Ende steht eine europäische Verteidigung mit einer
gemeinsamen Europäischen Armee. Dabei kommt der Kooperation mit der NATO große
Bedeutung zu.
Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips
Im Sinne der Subsidiarität lässt sich das Thema Sicherheit und Verteidigung klar
als einer jener Bereiche identifizieren, bei denen die Union effektiver und
effizienter sein kann als die einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Im Bereich der
Durchführung von Maßnahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und der
Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GASP/GSVP) müssen
Entscheidungen auf EU-Ebene im Ministerrat immer noch einstimmig beschlossen
werden. Dieses Prinzip soll abgeschafft werden. Stattdessen soll per
qualifizierter Mehrheit (55% der Mitgliedstaaten und 65% der Einwohner_innen)
entschieden werden. Als Zwischenschritt wäre es denkbar, die Anwendung des
Einstimmigkeitsprinzips im Bereich der GASP/GSVP-Durchführung zumindest
einzuschränken, mit dem Ziel, es mittelfristig ganz durch das Prinzip der
qualifizierten Mehrheit zu ersetzen.
Schritt für Schritt zu einer Europäischen Armee
Je stärker das politische Vertrauen desto enger die militärischen
Kooperationschancen zwischen den Mitgliedstaaten. Alle innereuropäisch
bestehenden Harmonisierungs- und Integrationsmöglichkeiten im Sicherheits- und
Verteidigungsbereich sind voll auszunutzen. Dringend ist unter anderem eine
gemeinsame und gemeinsam finanzierte Sicherung des europäischen Luftraums, die
etwa die Anschaffung von eigenen österreichischen Abfangjägern überflüssig
machen würde. Es braucht Schritte in Richtung einer europäischen Integration der
Kommandostrukturen bei EU-Missionen. Langfristig ist eine Europäische Armee
unter gemeinsamem Oberbefehl und parlamentarischer Kontrolle das Ziel, um die
europäische Souveränität zu jedem Zeitpunkt sichern und verteidigen zu können.
Zu allererst ist die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (PESCO) im Bereich
Verteidigung über eine Liste mit nationalstaatlich vorangetriebenen Projekten
hinaus auszuweiten. In den nächsten Jahren sollen echte europäische Projekte
dazu kommen, die einen europäischen Mehrwert generieren und nicht nur die
Präferenzen nationalstaatlicher Rüstungskonzerne widerspiegeln.
Gemeinsame Beschaffung und Nutzung von militärischer Ausrüstung
Wir setzen uns für Initiativen zur gemeinsamen Beschaffung, Finanzierung und
Nutzung von militärischer Ausrüstung ein, um Verteidigungsbudgets zu schonen und
eine Spezialisierung der einzelnen Mitgliedstaaten voranzutreiben, bzw. eine
sinnvolle Aufgabenteilung im Verteidigungsbereich zu erreichen. Die Europäische
Kommission präsentierte im März 2018 einen Aktionsplan zur Verbesserung der
militärischen Mobilität in Europa. Dieser muss rasch umgesetzt werden. Damit
können wir sicherstellen, dass die europäischen Straßen- und Bahnnetze auch auf
die Bedürfnisse militärischer Mobilität angepasst werden. Gleichzeitig sollen
nationale Regeln zum schnellen grenzüberschreitenden Transport militärischer
Güter und militärischen Personals vereinfacht und harmonisiert werden.
Fokussierung von Forschung und Entwicklung auf europäischer Ebene
Seit 2010 betragen die jährlichen Ausgaben für gemeinschaftliche Forschung und
Technologie im Verteidigungsbereich in Europa weniger als 200 Mio Euro jährlich.
Die Kommission hat einen Gesetzesvorschlag für den Zeitraum 2021 bis 2027 über
die Errichtung eines Europäischen Verteidigungsfonds, der mit 13 Mrd Euro
dotiert sein soll, beschlossen. Um international mithalten zu können, ist es
notwendig, Know-How und finanzielle Mittel im Bereich Forschung und Entwicklung
noch mehr zu bündeln. Die Europäische Union muss rechtzeitig beginnen, sich in
jedem Bereich mit künstlicher Intelligenz zu beschäftigen, besonders mit ihren
möglichen Auswirkungen auf die europäische Sicherheitslage. Eine frühe
gemeinsame Nutzen- und Risikoabschätzung von Künstlicher Intelligenz im
Sicherheits- und Verteidigungsbereich ist unbedingt notwendig.
Verteidigungs- und Sicherheitskooperation mit der europäischen Nachbarschaft und
mit der NATO-Partnership for Peace
Die Sicherheitslage in Europa ist abhängig von der Sicherheitslage in der
unmittelbaren und mittelbaren Nachbarschaft. Es ist daher notwendig, im
Sicherheitsbereich so eng wie möglich mit den Nachbarstaaten zu kooperieren.
Dies gilt vor allem auch mit der NATO-Partnership for Peace. Weiters sollen
Kooperationen wie PESCO auch für die Staaten des Westbalkans eine Möglichkeit
der Mitwirkung enthalten. Dies ermöglicht es, gegenwärtige und potenzielle
Beitrittskandidaten auf die Arbeitsweisen der Union im Verteidigungsbereich
heranzuführen und Doppelgleisigkeiten zu vermeiden. Wir streben eine engere
Kooperation der Westbalkanstaaten mit Europol an, um den Kampf gegen das
organisierte Verbrechen voranzutreiben.
Zusammenarbeit der Nachrichtendienste
Noch immer denkt Europa im Bereich der Nachrichtendienste in nationalen
Strukturen, die sich bisher nur beschränkt miteinander austauschen. Es gibt zwar
Teilbereiche, in denen wir übergreifende Netzwerke zu bauen beginnen, doch sind
wir immer noch nicht wirklich eng vernetzt. Auf europäischer Ebene muss deshalb
ein Dienst geschaffen werden, der dem Europäischen Parlament verantwortlich ist.
Eine Europäische Armee, die früher oder später in Europa Realität sein wird, ist
ohne einen Geheimdienst blind. Gleichzeitig braucht ein solcher gemeinsamer
Nachrichtendienst starke Kontrolle, die eine schnelle Schadensbegrenzung
ermöglicht, sollte ein Staat an den Werten der liberalen Demokratie rütteln und
drohen, seinen Zugang zu Informationen zu missbrauchen.
Mehr Mittel und finanzielle Flexibilität für Europol
Europol braucht mehr finanzielle Mittel, um auf bekannte und neue
Herausforderungen im Sicherheitsbereich schnell reagieren zu können. Anders als
bei Frontex hat man bei Europol noch die Chance, die Agentur bereits im Vorfeld
künftiger Aufgaben mit ausreichend Mittel auszustatten. Außerdem fordern wir,
das Ein-Jahres-Budget abzuschaffen. Gegenwärtig gilt für Europol nämlich die
Regel, dass das Budget des jeweiligen Jahres bis exakt zum Jahresende
vollständig ausgegeben werden muss. Somit kann Europol in "ruhigeren" Zeiten
keinerlei Reserven bilden, um gegebenenfalls rasch auf neue Entwicklungen
reagieren zu können. Hier setzen wir uns für mehr Flexibilität im Sinne der
europäischen Sicherheit ein.
Investition in die Widerstandsfähigkeit unserer Gesellschaft gegen hybride
Bedrohungen
Hybride Bedrohung meint im Sicherheitskontext vereinfacht gesagt eine Situation,
in der ein Staat oder ein nicht-staatlicher Akteur sich einer Vielzahl an
legalen und illegalen, an militärischen und nicht-militärischen Methoden
bedient, um seinen Einfluss zu vergrößern. Nur eine widerstandsfähige
Gesellschaft ist eine wirkungsvolle Antwort auf hybride Bedrohungen. Wir
brauchen eine gut trainierte Polizei, starke Anti-Korruptionsbehörden,
Transparenz im Energiesektor und bei der Parteienfinanzierung, aber auch
unabhängige und finanziell stabile Medien und gut informierte, kritische
Bürger_innen. Hybride Methoden zielen in erster Linie auf Gesellschaften und die
Mentalität der Bürger_innen, auf ihre Ängste, Unsicherheit und ihr Vertrauen.
Wir wollen hybride Methoden, die auf die Union angewendet werden, öffentlich
diskutieren, in Medienkompetenz und strategische Kommunikation als Mittel gegen
feindselige Propaganda investieren und entschlossen gegen Versuche, die Union zu
spalten und zu schwächen, vorgehen. Dies soll nicht durch eine zentrale Instanz,
sondern durch die Förderung zivilgesellschaftlicher Initiativen geschehen.
Verbesserung des Außengrenzschutzes (siehe Papier Asyl & Migration)
Forschung und Entwicklung sind wesentliche Motoren für Innovation,
wirtschaftliche Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit und damit unabdingbar für
die zukünftige Absicherung unseres Wohlstands. Die EU hinkt bei den
Forschungsinvestitionen Nordamerika und asiatischen Staaten hinterher und droht,
im globalen Wettbewerb noch stärker abgehängt zu werden. Das gemeinsame Ziel
einer EU-weiten Forschungsquote von 3% des BIPs liegt noch in weiter Ferne.
Während Österreich neben Schweden, Deutschland und Dänemark in Europa zu den
Spitzenreitern zählt, schaffen neue Mitgliedstaaten den Anschluss nicht und
haben mit stagnierenden Budgets und Brain-Drain zu kämpfen. Die EU hat in der
Vergangenheit wichtige internationale Großforschungsprojekte auf den Weg
gebracht. Diese sind budgetär eine große Herausforderung und müssen nicht in
Jahren, sondern Jahrzehnten gedacht werden.
Im Vergleich zu anderen Kapitalmärkten – wie den USA und Israel – schafft Europa
es nicht, im gleichen Ausmaß Risikokapital bereitzustellen. Die Möglichkeiten
des Europäischen Investment Fonds werden nicht ausreichend genutzt und die
Vernetzung mit Forschungsrahmenprogrammen der EU steckt noch in den
Kinderschuhen.
Das gemeinsame europäische Wettbewerbsrechtist eines der stärksten und
effektivsten Werkzeuge der EU am gemeinsamen Binnenmarkt. Für den digitalen
Binnenmarkt und die Datenwirtschaft braucht es eine Anpassung, die den Wert von
Daten und den Umgang mit ihnen als wichtigste Ressource der Zukunft
berücksichtigt.
In vielen Gebieten Europas mangelt es nach wie vor an einem sicheren Zugang zu
schnellem Internet. Der Infrastrukturausbau ist Angelegenheit der einzelnen
Mitgliedstaaten und leider vielerorts ins Stocken geraten. Dies verursacht
erhebliche Kosten und stellt eine zusätzliche Barriere im freien Datenfluss dar
und steht damit gerade in strukturschwachen Regionen der Innovation und
Weiterentwicklung im Weg.
Rechtsunsicherheiten und Durchsetzungsdefizite von geltendem Recht in Bezug auf
neue Technologien und Geschäftsmodelle (z.B. Fintech, Blockchain, Künstliche
Intelligenz oder Genome Editing) stellen eine weitere Hürde für
gesamteuropäische Innovationen dar. Einige große Unternehmen haben sich in einem
quasi-rechtsfreien Raum Vorteile verschafft, während Startups oft an
kleinlichen, nationalen Vorschriften scheitern. Entscheidungsträger_innen
verstehen oft nicht, wie disruptive Technologien funktionieren. Neue und
kurzsichtige Gesetze bergen die Gefahr der Überregulierung und hemmen
Investitionen und Innovation. Die schwierige politische Aufgabe besteht darin,
die potenziell negativen Auswirkungen solcher Technologien abzufangen und
gleichzeitig das Innovationspotenzial in Forschung und Entwicklung voll zu
nutzen.
Die Europäische Union ist zum Kontinent der Gründer_innen und damit zum
innovativsten Wirtschaftsraum der Welt geworden. Anstatt Innovation mit
nationalstaatlichen Alleingängen zu behindern, gestalten die Mitgliedstaaten die
Digitalisierung aktiv. Bürokratische Hürden wurden weitgehend abgebaut. Für neue
Technologien gibt es klare und einheitliche Regeln, die einen sinnvollen Einsatz
ermöglichen.
Der europäische Hochschul- und Forschungsraum hat weiter an Bedeutung gewonnen.
Er zeichnet sich durch hohe Durchlässigkeit und Mobilität der Forscher_innen und
Studierenden aus. In einer Vielzahl der Mitgliedstaaten gibt es ausgezeichnete
Forschungs- und Lehrinstitutionen. Das 3%-Ziel für die Forschungs- und
Entwicklungsgelder wurde erreicht und die Finanzierung auf sichere Beine
gestellt. Es gibt eine bessere Verzahnung von Forschung und Entwicklung mit
internationalen Geldgeber_innen und Unternehmen. Dadurch kann Europa auch im
Wettbewerb um die besten Köpfe bestehen.
Durch die Anziehung von Risikokapital, das neue Wettbewerbsrecht und effektive
und vorausschauende Regulierungen konnten nachhaltige und innovative
Wirtschaftszweige in Europa angesiedelt werden. Der Infrastrukturausbau verhalf
allen Regionen zu Profiteuren der Digitalisierung zu werden.
Deutliche Erhöhung des Forschungsbudgets und neue europäische
Großforschungsprojekte
Wir fordern eine weitere Stärkung des europäischen Hochschul- und
Forschungsraums durch eine Erhöhung des Budgets für „Horizon Europe“ auf 110 Mrd
Euro und eine Verdoppelung des Erasmus-Budgets auf 30 Mrd Euro, wie von der
Kommission vorgeschlagen. Die Schwerpunkte müssen auf einer verstärkten
Durchlässigkeit und vereinfachten Mobilität von Studierenden und Forscher_innen
und der besseren Verschränkung von Forschung und Industrie liegen. Außerdem
müssen neue gesamteuropäische Großforschungsprojekte auf den Weg gebracht und
mit angemessener Finanzierung ausgestattet werden. Sie sollen Leuchtturmprojekte
im Bereich der internationalen und kooperativen Forschung darstellen.
Mehr Risikokapital für Forschung und Innovation
Der Europäische Investmentfonds (EIF) muss in seiner Arbeit gestärkt werden und
mehr Flexibilität bekommen. Auf nationaler Ebene sollen Anreize für Stiftungen
und Pensionsfonds geschaffen werden, um das Potential des europäischen Venture
Capital-Markts zu heben. Es muss einfachere und klarere Regeln auf
gesamteuropäischer Ebene geben. Es braucht den Beschluss einer Initiative
„Invest in Europe“, um – in Kooperation mit den Nationalstaaten und Regionen –
nachhaltige und zukunftsträchtige Wirtschaftszweige in Europa anzusiedeln.
Europäisches und internationales Risikokapital soll durch attraktive,
einheitliche Steuerbegünstigungen für Investitionen in forschungsorientierte
Unternehmensneugründungen und Innovationsprojekte angezogen werden. Die
Europäische Investitionsbank soll R&D-Bonds auflegen, die zusätzlich für
ausreichende Finanzierung innovativer Unternehmen sorgen. Der Vorschlag der
Kommission bezüglich Einrichtung eines European Innovation Council soll
vollständig umgesetzt werden.
Stärkung der Hochschul- und Forschungsinfrastruktur in den jüngsten EU-
Mitgliedstaaten
Durch gezielten Einsatz von Mitteln aus den Strukturfonds sowie Teaming und
Twinning mit Top-Institutionen wollen wir Forschungs- und Bildungseinrichtungen
in weniger entwickelten Regionen stärken. Das Entwicklungspotenzial von
Universitäten in neuen EU-Mitgliedstaaten soll bei der Vergabe von
Forschungsgeldern berücksichtigt werden.
Neues europäisches Wettbewerbsrecht
Damit die europäische WBP stärker werden kann, muss sie sich weiterentwickeln.
Aus Sicht der Wettbewerbspolitik ist entscheidend, dass Kriterien zur
Betrachtung der Marktmacht nicht ausschließlich durch betriebswirtschaftliche
Größen (z.B. Umsatz) festgemacht werden, sondern auch durch eine Konzentration
von neuen Daten und Informationen (den "neuen Rohstoffen"). So wie im 19.
Jahrhundert ausgefeilte Regeln für geistiges Eigentum formuliert wurden, bedarf
es neuer Gesetze, um den Besitz und den Austausch von Daten zu regeln, um den
Einzelnen solide Rechte zu verleihen. Wettbewerbshüter sollen Fusionen genau
prüfen, um Innovationen durch einen freien Markt auch bei digitalen Angeboten zu
schützen.
Ausbau der digitalen Infrastruktur
Der europaweite Ausbau der digitalen Infrastruktur soll Innovationen in allen
Regionen fördern. Intelligente Spezialisierung ist bereits jetzt ein wichtiger
Bestandteil der Kohäsionspolitik 2014-2020. Im nächsten mehrjährigen
Finanzrahmen (MFR) soll die Förderung von Digitalisierungsmaßnahmen und
Innovationen zur regionalen Entwicklung verstärkt Niederschlag finden. Damit
alle Regionen gleichermaßen von der Digitalisierung profitieren, braucht es eine
flächendeckende Verfügbarkeit von ultraschnellen Internetzugängen in ganz
Europa. Außerdem soll der Kommissionsvorschlag zur Schaffung eines europäischen
Daten-Binnenmarkts umgesetzt werden, der nationale Regeln zur lokalen
Speicherung ersetzt.
Vorausschauende Regulierungen für disruptive Technologien
Es braucht eine gesamteuropäische Initiative für die vorausschauende Regulierung
disruptiver Technologien, um das volle Innovationspotential nutzen zu können und
möglichst gute Rahmenbedingungen für Investor_innen und Forscher_innen zu
schaffen. Dazu sollen auf europäischer Ebene so schnell wie möglich sogenannte
regulatory sandboxes geschaffen werden, in denen Unternehmen und Politik
gemeinsam Erfahrungen mit neuen Technologien sammeln können. Regulierungen
müssen flexibel genug gestaltet werden, dass sie auf möglichst viele
Technologien effektiv angewendet werden und nicht, wenn sie in Kraft treten,
bereits vom technologischen Fortschritt überholt worden sind.
Verantwortungsbewusste Nutzung der Blockchaintechnologie
Europa muss in der Verwendung der Blockchaintechnologie zum Vorreiter werden, um
sich seinen Platz in der digitalen Welt zu sichern. Rechtsunsicherheit muss rund
um die Bereiche Blockchains, Smart Contracts, Kryptowährungen, Initial Coin
Offerings (ICOs), Security Token Offerings (STOs) und Dezentrale Autonome
Organisationen (DAOs) beendet werden. Für private Investor_innen und
Unternehmer_innen müssen europaweit klare Regeln und Möglichkeiten geschaffen
werden. Gerade im öffentlichen Bereich gibt es eine Vielzahl von
Anwendungsbereichen der Blockchains. Die europäische Bürokratie könnte hier in
der Anwendung zum Vorreiter werden und die Weiterentwicklung und
Effizienzsteigerung von Verwaltungssystemen in der gesamten Union vorantreiben.
Fortschritt durch künstliche Intelligenz (KI)
Wir fordern eine bessere Koordination und das Teilen von Best-Practices beim
Thema KI, insbesondere in den Bereichen Forschung, Entwicklung von Talenten,
Zukunft der Arbeit, Industrie und Verwaltung, Inklusion, Ethik, Daten und
digitale Infrastruktur. KI macht unser Leben bereits jetzt leichter. Mit den
richtigen Richtlinien können wir auf eine Zukunft mit KI-Systemen hinarbeiten,
von der alle profitieren.
Die Arbeitswelt ist im Umbruch. Durch die Digitalisierung verändern sich
Berufsbilder und wirtschaftliche Abläufe. Die Arbeit wird durch den
technologischen Fortschritt unabhängiger vom Aufenthaltsort der Menschen.
Gleichzeitig gibt der gemeinsame Binnenmarkt Arbeitnehmer_innen die Möglichkeit,
grenzüberschreitend in Unternehmen eingesetzt zu werden. Viele
Arbeitnehmer_innen kommen mit diesem Wandel nicht wirklich zurecht. Es zeigt
sich auch, dass die Rahmenbedingungen für den Arbeitsmarkt und die sozialen
Institutionen diesem Wandel noch nicht genug Rechnung tragen.
Neue Technologien erfordern eine Veränderung von (Aus-)Bildungs- und
Lernangeboten. Lebenslanges Lernen und das Erwerben von vielseitigen Kompetenzen
werden immer wichtiger. Die Arbeitnehmer_innen der Zukunft müssen sich auf
ständig ändernde Anforderungen einstellen und fit für die Digitalisierung
gemacht werden. Dadurch kann ganz Europa von Innovation profitieren.
Wer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union arbeiten möchte, ist
noch immer mit zahlreichen bürokratischen Hürden konfrontiert. Vielfach ist
unklar, wo welche Abschlüsse und Ausbildungen anerkannt werden oder ob der
Erwerb von Sprachkenntnissen gefördert wird. Sozialsysteme sind nicht immer gut
auf einander abgestimmt oder verständlich. Es gibt meist komplexe
Regelungssysteme und unterschiedliche Versicherungsregime, die verschiedene
Personengruppen unterschiedlich behandeln. Dies führt oft zu großer Unsicherheit
bei Übertritten von Arbeitnehmer_innen von einem in ein anderes Sozialsystem.
Sozialversicherungsrecht und Aufenthaltsrecht werden nicht zusammen gedacht und
erarbeitet. Für den/die Einzelnen/Einzelne mangelt es an Transparenz bezüglich
bereits erworbener Versicherungs-/Beitragsleistungen (z.B. Pensionen) im
gesamten EU-Gebiet. Das macht es häufig schwierig, in einem anderen
Mitgliedstaat Fuß zu fassen.
Nicht alle sehen Chancen in einem gemeinsamen Arbeitsmarkt und der damit
verbundenen höheren Mobilität der Arbeitnehmer_innen. Diese ruft auch
Protektionist_innen und Nationalist_innen auf den Plan. Die
Arbeitnehmerfreizügigkeit – und damit eine der Grundfreiheiten der Europäischen
Union – gerät zunehmend unter Druck. Für viele Unionsbürger_innen gibt es keine
Beratungsstellen, keine Lobby und oft keine Möglichkeit, unbürokratisch
Hilfestellungen zu erhalten, wenn sie in einem Mitgliedstaat diskriminiert
werden und das obwohl sie am Papier die gleichen Rechte genießen.
Die Arbeitsmarktsituationen innerhalb der Europäischen Union sind noch immer
höchst unterschiedlich. In manchen Staaten der EU ist die Jugendarbeitslosigkeit
so hoch wie noch nie. Dieses Ungleichgewicht zwischen den Mitgliedstaaten
schadet auf Dauer der gesamten EU und raubt vielen Jugendlichen die Zukunft.
Gerade die Unterschiede bei der Jugendarbeitslosigkeit sind Ausdruck
höchstunterschiedlicher (Ausbildungs-)Systeme und ökonomischer Entwicklungen im
Zuge der Finanzkrise. Ein gemeinsamer Arbeitsmarkt mit hoher Mobilität von
jungen, motivierten Arbeitskräften ist aufgrund verschiedener institutioneller
und anderer Hürden nicht erkennbar.
Innerhalb des Europäischen Binnenmarkts gibt es einen funktionierenden
gemeinsamen Arbeitsmarkt. In der Europäischen Union ist die Mobilität von
Arbeitnehmer_innen problemlos geworden. Aus diesem Grund werden, unabhängig von
der Art der Ausbildung, Sprachkenntnisse stärker vermittelt.
NationaleBildungssysteme bilden in den Lehrplänen die neuen Anforderungen des
Arbeitsmarktes ab. Für Ausbildungen gibt es einheitliche Standards. Die
Anerkennung funktioniert leicht und unbürokratisch.
EU-Bürger_innen, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union
arbeiten, haben Zugang zu Beratungsstellen und bekommen rasch Hilfe und
Beratung, wenn sie diese brauchen. Austauschprogramme wie Erasmus werden
ausgebaut. Alle jungen Menschen haben die Möglichkeit, während ihrer Ausbildung
in andere EU-Mitgliedstaaten zu gehen und dort zu lernen. Insbesondere für
Lehrlinge wurden diese Möglichkeiten ausgebaut. Damit werden Blockaden in den
Köpfen gelöst und Perspektiven geschaffen, die schlussendlich zu einer engeren
Union führen.
Jobsuche und Bewerbung sowie An- und Abmeldung bei unterschiedlichen
Sozialversicherungsträgern sind unbürokratisch möglich. Es gibt treffsichere,
transparente und flexible soziale Sicherungssysteme, die neue Formen des
Arbeitens und der Mobilität abdecken. Versicherungs- und Pensionszeiten werden
automatisch angerechnet, die Kooperation zwischen verschiedenen nationalen
Behörden ist weitgehend automatisiert.
Sämtliche Ansprüche sind in einem zentralen europäischen Pensionskonto abrufbar.
Gleichzeitig werden auf den nationalen Konten (in Österreich: "Pensionskonto")
Ansprüche aus dem EU-Ausland angezeigt.
Sozialleistungen werden im Sinne der Subsidiarität nach wie vor auf nationaler
Ebene geregelt. Dort, wo es notwendig ist, werden europaweite Mindeststandards
gesetzt. Es gibt jedoch besseren Datenaustausch und -abgleich und Vernetzung
zwischen den nationalstaatlichen Behörden, was den Zugang zu Sozialleistungen
für Unionsbürger_innen einfacher macht.
Ausbau von Mobilitätsprogrammen und Sprachkenntnissen
Erasmus ist eine echte europäische Erfolgsgeschichte. Um die Mobilität von
Unionsbürger_innen zu erhöhen und den europäischen Arbeitsmarkt zu stärken,
müssen zuerst Barrieren in den Köpfen der Menschen abgebaut werden. Es ist daher
notwendig, Austauschprogramme und Mobilitätsprogramme voranzutreiben und
auszubauen. Insbesondere im Bereich der Schulen, der Lehrausbildung und anderen
nicht universitären Bereichen soll ein Austausch stärker in den Vordergrund
rücken. Ebenso verhält es sich mit Sprachkenntnissen, die als maßgebliche
Qualifikation auf einem europäischen Arbeitsmarkt gefragt sind. Die Sprache gibt
den Menschen das Werkzeug in die Hand, auf dem Arbeitsmarkt zu partizipieren und
erfolgreich zu sein.
Leichtere und zentrale Anerkennung von Ausbildung und Vorbildung
Insbesondere im Gesundheits- und Pflegebereich muss der Nationale
Qualifikationsrahmen an den Europäischen Qualifikationsrahmen angeglichen
werden. In Bereichen, in denen besonders hohe innereuropäische Mobilität gegeben
ist, stehen wir vor der Herausforderung, die nationalen Ausbildungen und
Fähigkeiten europaweit leichter anrechenbar und nachweisbar zu machen. Nach dem
Vorbild des österreichischen Gesundheitsberuferegister sollen in einer
europaweit zentralen Datenbank standardisierte Ausbildungsnachweise gespeichert
werden können.
Export des österreichischen Erfolgsmodells der „dualen Ausbildung“
Die österreichische duale Ausbildung (Lehre) ist ein Erfolgsmodell und wirkt
sich positiv auf die Jugendbeschäftigung aus. Die kombinierte Berufsausbildung
in einem Betrieb und in der Berufsschule muss auch in andere EU-Staaten
exportiert werden. Österreich kann damit innerhalb der EU mit Know-How und
Wissenstransfer punkten und einen Beitrag dazu leisten, die
Jugendarbeitslosigkeit in der EU dramatisch zu senken. Gleichzeitig können
dadurch wirtschaftliche Kontakte geknüpft und vertieft werden, um beispielsweise
dringend benötigte Fachkräfte nach Österreich zu holen.
Auf- und Ausbau von Beratungsstellen für Expats
Beratungsstellen für Unionsbürger_innen in Mitgliedstaaten sollen ausgebaut
werden, der existierende Dienst "SOLVIT" ist viel zu wenig bekannt. EU-
Bürger_innen haben selten eine Interessensvertretung in den jeweiligen Ländern.
Vor dem Gesetz sind sie in den meisten Belangen gleichgestellt. Kommt es dennoch
zu Problemen oder Diskriminierung, gibt es wenig Hilfestellung. Es braucht also
nicht nur einen Bürokratieabbau, sondern gleichzeitig auch unbürokratische
Hilfestellung bei Problemfällen, um europäisches Recht auch in der Praxis und
nicht nur am Papier zu gewährleisten.
Einführung einer europäischen Sozialversicherungsnummer
Wir fordern die Einführung einer europäischen Sozialversicherungsnummer. Ein
gemeinsames System erleichtert es, Daten aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten
rasch und unbürokratisch dort zur Hand zu haben, wo Erwerbstätige einen Antrag
auf eine Leistung stellen. Die Daten werden von den jeweiligen Mitgliedstaaten,
in denen gerade gearbeitet wird, gesammelt und die Versicherungszeiten
sämtlicher Pflichtversicherungen (Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung,
Pensionsversicherung, Unfallversicherung, etc.) gespeichert. Somit können sie im
Bedarfsfall über die europäische Sozialversicherung gesammelt, abgerufen und
verwendet werden. Dies erleichtert Mobilität innerhalb der Europäischen Union
und ist ein Schritt hin zu einem gemeinsamen europäischen Arbeitsmarkt, der auf
Angebot und Nachfrage basiert. Ein Pensionsantritt soll, unabhängig davon, in
welchem Mitgliedsstaat man sich aufhält, unbürokratisch möglich sein. Die
geforderte europäische Sozialversicherungsnummer erleichtert die Koordination
und Kommunikation zwischen den Behörden. Aufreibende Korrespondenz und
bürokratische Zick-Zack-Läufe zwischen nationalstaatlichen Behörden sind so
nicht mehr notwendig. So soll zum Beispiel eine spanische Behörde auch Auskunft
für in Österreich erworbene Ansprüche geben können.
Leistungen von staatlichen Pflichtversicherungen unabhängig vom Wohnsitz
Bei manchen Versicherungsleistungen gibt es Probleme, wenn man Leistungen daraus
beziehen will und seinen Wohnsitz in einem anderen EU-Land hat. Gerade im
Bereich der Pflege und den staatlichen Pflegeversicherungen in Deutschland oder
den Niederlanden ist ein Bezug in Österreich oft nicht möglich. Hier muss
künftig gewährleistet sein, dass alle, die in solche Versicherungssysteme
eingezahlt haben, auch Leistungen beziehen können, egal in welchem EU-Land sie
leben. Es soll in keiner staatlichen Pflichtversicherung zu Diskriminierungen
kommen, die die innereuropäische Arbeits- und Wohnsitzmobilität behindern.
Keine Sozialtransferunion. Leichtere Vergleichbarkeit und Weiterentwicklung
europäischer Sozialsysteme durch Benchmarking
Sozialstaatliche Aufgaben sollen nach Anwendung des Subsidiaritätsprinzips auch
in Zukunft nationale Aufgabe bleiben. Indem ein einheitliches Benchmarking
geschaffen wird, soll es Mitgliedstaaten einfacher gemacht werden, voneinander
zu lernen. Die Vergleichbarkeit der einzelnen sozialstaatlichen Maßnahmen
(faktisches Pensionsantrittsalter, Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und Inklusion)
wird dadurch erleichtert und auch Mindeststandards können so einfacher umgesetzt
werden.
Die Natur ist unser „Lebenserhaltungssystem“, deshalb müssen wir sorgsam mit ihr
umgehen. Gemeinsam nutzen wir Ressourcen wie Wasser, Luft und natürliche
Lebensräume. Wir haben zu ihrem Schutz gemeinsame Umweltnormen. Die Europäische
Union steht vor der Herausforderung, auf die nachweislich vom Menschen
verursachten Veränderungen des Klimas Antworten zu finden und parallel dazu den
Treibhausgasausstoß gemäß der Ziele des Pariser Klimavertrages zu reduzieren.
Damit können wir unsere Überlebensgrundlage und Lebensqualität nachhaltig
sichern. Beides sind gewaltige politische Projekte, die eine verbindliche
Strategie und langfristige Maßnahmen erfordern. Aufgrund der möglicherweise
katastrophalen, destabilisierenden Folgen des Klimawandels ist das dringend
notwendig.
Der ökologische Fußabdruck der industrialisierten Welt ist enorm und die
Konkurrenz um Ressourcen wird mit der weiteren Entwicklung, dem
Wohlstandszuwachs sowie der fortschreitenden Urbanisierung in Schwellenländern
stärker werden. Wesentliche Hebel, um diese Entwicklung einzubremsen, wie die
Steigerung von Ressourceneffizienz, umweltfreundliche Produktionsverfahren oder
Ökoinnovation, bleiben unterentwickelt. Die Müllentwicklung ist nach wie vor
besorgniserregend. Ein großer Teil unseres Abfalls landet auf immer größer
werdenden Deponien und teilweise auch in den Weltmeeren. Besonders problematisch
ist die drastische Zunahme von Plastikmüll, der in Form von Mikroplastik bereits
in fast allen Ökosystemen und Nahrungsketten nachweisbar ist und auch für den
Menschen eine Gesundheitsgefahr darstellt.
Durch die Intensivierung der Land- und Forstwirtschaft, der damit verbundenen
Nutzung von Pestiziden und Monokulturen sowie durch die Ausbreitung von Wohn-,
Wirtschafts-, und Verkehrsflächen hat die Artenvielfalt in Europa in den letzten
Jahrzehnten stark abgenommen. Gleichzeitig üben invasive Arten zusätzlichen
Druck aus. Diese Entwicklungen gefährden nicht nur bestehende Ökosysteme und
heimische Arten, sondern haben langfristig negative Auswirkungen auf
Landwirtschaft, Gesundheit sowie Natur- und Klimaschutz. Die Agrarförderpolitik
orientiert sich an den Fragen von gestern und nicht an den Herausforderungen von
morgen.
Obwohl in der EU Energieregeln auf supranationaler Ebene festgelegt werden, muss
sich die Union in der Praxis mit 28 (bald 27) nationalen Versorgungs- und
Regulierungssystemen auseinandersetzen. Diese werden zusätzlich jeweils stark
von innenpolitischen Anliegen und außenpolitischen Standpunkten beeinflusst.
Nationale Steuer- und Fördersysteme sind oft nicht an die Notwendigkeiten der
Energiewende angepasst und bevorzugen fossile Energiequellen.
Heizen und Kühlen stellen die Hälfte des EU-Energieverbrauchs dar. Gerade
grenzüberschreitend gibt es zu wenige Verbindungen innerhalb des Energiesektors.
So bleibt die industrielle Abwärme in den Regionen meist ungenutzt, anstatt
diese zum Heizen wiederzuverwenden.
Einer der Sektoren, der die CO2-Bilanz am meisten belastet, ist der Verkehr.
Dieser ist oft ineffizient organisiert. Gerade was die internationale Planung
innerhalb der EU betrifft, hinkt die Realität den Vorstellungen und
Erfordernissen hinterher.
Die Gesundheit und Lebensqualität der Menschen wird stets verbessert und ist
weitgehend sichergestellt. Umweltbedingte Belastungen, Gesundheitsrisiken und
Beeinträchtigungen werden sukzessive abgebaut. Die Sauberkeit des Trinkwassers
und der Badegewässer ist gewährleistet, die Luftqualität verbessert sich und
Lärm wird reduziert. Genauso werden die Auswirkungen schädlicher Chemikalien
eingedämmt und weitgehend beseitigt. Energiewende und „Green Economy“ haben sich
als zukunftsweisende Konzepte erwiesen und ermöglichen den Umbau zu nachhaltigem
Wirtschaften auf Basis einer freien Marktwirtschaft. Nach diesen Konzepten wird
das Klima geschützt, es werden langfristig Arbeitsplätze geschaffen, die Armut
verringert und soziale Stabilität erreicht. Naturräume werden auch im
Zusammenwirken mit einer nachhaltigen Landwirtschaft dauerhaft geschützt und die
Artenvielfalt gesichert. Nach Ausweisung aller EU-weiten Schutzgebiete gibt es
umfassende Managementpläne für schützenswerte Naturräume.
Die EU ist Vorreiter bei der Umsetzung der Ziele des Pariser Klimaabkommens und
von COP23. Dabei werden Innovationsfähigkeit und Forschungspolitik in den
Mittelpunkt gerückt. Die Dekarbonisierung wird zügig vorangetrieben und Carbon-
Management hilft bei der Abschätzung der Wirkung von Investitionen und
industriepolitischen Maßnahmen. Kreislaufwirtschaft ist flächendeckend in
Anwendung und ermöglicht ressourcenoptimiertes, abfallarmes Wirtschaften ohne
Plastikverpackungen und Wegwerfprodukte. Kupfer, Gold und andere Edelmetalle
werden aus Elektroschrott zu Kosten extrahiert, die mit denen des Abbaus von
Erzen vergleichbar sind.
Die Energieunion sorgt für eine reibungslose und sektorübergreifende
Transformation des Energiesystems Richtung erneuerbare Energien,
Energieeffizienz und Flexibilität. Sie senkt die Abhängigkeit von öl- und
gasexportierenden Ländern. Der EU-Emissionshandel wurde zu einem effizienten
Tool der Dekarbonisierung in allen Sektoren und hat den Weg für eine europaweite
CO2-Steuer geebnet. Regionale Vernetzung im Energiebereich hilft,
Versorgungssicherheit zu stärken und länderübergreifende Synergien zu nutzen.
Damit wird Europa insgesamt wirtschaftlich gestärkt. Grenzüberschreitende
Kooperationen führen dazu, dass erneuerbare Energien dort gefördert werden, wo
sie am kostengünstigsten erzeugt werden können. Europa gelingt es, zum
Innovationsführer eines globalisierungsfähigen Wirtschaftsmodells zu werden. Dem
bewussten Umgang mit Energie und anderen Rohstoffen kommt dabei eine
Schlüsselrolle zu.
Der Personen- und Warenverkehr wird möglichst umwelt- und ressourcenschonend
abgewickelt. Fehlentwicklungen wie die "Lagerhaltung durch Lastkraftwagen"
gehören der Vergangenheit an, Warenströme bewegen sich, angepasst an das
jeweilig sinnvollste Transportmittel, mit höchster Effizienz.
Neue Konzepte für Naturraummanagement
Die EU hat in den letzten Jahrzehnten mit der einheitlichen Definition von
Naturschutzgebieten viel für den Erhalt von Naturräumen und Arten erreicht. Der
nächste Schritt müssen Maßnahmen zum weiteren Management dieser ausgewiesenen
Gebiete sein. Das wurde bislang vernachlässigt. Daher fordern wir verstärkte
Einbindung der Regionen und Impulse, um mehr Bewusstsein für das Thema zu
schaffen. Gleichzeitig ergeben sich Beschäftigungsmöglichkeiten, die nicht nur
in der Ressourcennutzung, sondern auch im -erhalt liegen. Das vielfältige
Naturerbe und die Artenvielfalt Europas können so auch zukünftig bewahrt werden.
Kreislaufwirtschaftsschwerpunkt
Effiziente Kreislaufwirtschaft beginnt bereits bei nachhaltigem Produktdesign
sowie innovativer Produktentwicklung. Der Einsatz von Einwegkunststoffen und
kaum stofflich wiederverwertbaren Verbunden muss drastisch reduziert werden.
Weiters müssen Reparaturnetzwerke verstärkt und die Verfügbarkeit von
Ersatzteilen von Seiten der Hersteller gegeben sein. Die Zukunft nachhaltigen
Wirtschaftens liegt in weitgehend geschlossenen Stoffkreisläufen und in
effizienter kaskadischer Nutzung. Die Transformation der europäischen Industrie
muss hier einen Schwerpunkt erhalten. So wird der Rohstoffverbrauch sukzessive
verringert und damit auch die Importabhängigkeit. Wir bestärken die EU-
Kommission daher in ihren Vorhaben, die Kreislaufwirtschaft durch EU-
einheitliche Standards für Sekundärrohstoffe zu unterstützen und die
Handelbarkeit von Sekundärrohstoffen in der EU zu ermöglichen. Außerdem soll
Urban Mining vorangetrieben werden, um mittelfristig mit dem Abbau von
Rohstoffen kostenmäßig mithalten zu können. Mit ehrgeizigen Zielen und
innovativen Maßnahmen können wir so auch eine globale Vorreiterrolle in
Abfallvermeidung sowie Recycling einnehmen.
Weiterentwicklung der Energieunion
Der rasche Ausbau der europäischen Energienetze (TEN-E), vor allem bei Projekten
zur Unterstützung grenzüberschreitender erneuerbarer Energie, führt automatisch
dazu, dass die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zurückgeht. Je weiter
die Netze ausgebaut sind, desto einfacher wird die Integration von erneuerbaren
Energieträgern. Als kleine Volkswirtschaft profitiert Österreich besonders von
einer Energieunion – wenn auch nicht von allen Aspekten im gleichen Ausmaß. Die
österreichische Regierung soll daher die Vorschläge der Kommission aufnehmen und
unterstützen. Die Energieunion muss ganzheitlich angelegt werden. Es müssen
Stromnetze sowohl in Qualität und Quantität angepasst werden, um den Umstieg auf
ein nachhaltigeres Energiesystem zu ermöglichen. Außerdem sollen
Energiespeichersysteme weiterentwickelt und ausgebaut werden. Ohne den
europaweiten Ausbau von Netzen und Speichern stoßen wir mit erneuerbaren
Energiequellen schnell an unsere Grenzen.
Neues Strommarktdesign: bessere Anreize und Internalisierung der externen Kosten
Alle Maßnahmen im Energiebereich sind auf ihre Anreizwirkung zu überprüfen. Für
die Umwelt kontraproduktive Förderungen müssen zeitnah gestrichen werden – laut
Berechnungen des WIFO fließen allein in Österreich 3,8 bis 4,7 Mrd Euro pro Jahr
in solche Förderungen. Das aktuell in Verhandlung befindliche neue EU-
Strommarktdesign sollte die nachhaltige und effiziente Weiterentwicklung der
Strommärkte in Richtung effiziente Marktintegration der Erneuerbaren
sicherstellen. Kriterium muss technische und finanzielle Machbarkeit sein. Ein
Fördersystem, das Milliarden kostet und gleichzeitig die Versorgungssicherheit
gefährdet, kann nicht die Lösung sein. Wir fordern daher ein deutlich
marktnäheres Ökostromgesetz.
Dekarbonisierung vorantreiben: Einführung einer europaweiten CO2-Abgabe
Wir fordern die Stärkung der Ökologisierung der Steuersysteme durch eine CO2-
Abgaben-Richtlinie. Die aktuelle Richtlinie zur Besteuerung von
Energieerzeugnissen und elektrischem Strom ist veraltet und nicht ausreichend.
Eine Richtlinie für CO2-Abgaben muss jedenfalls eine einheitliche
Bemessungsgrundlage für Emissionen und Mindeststeuersätze beinhalten, um CO2 –
unabhängig davon, um welche Energiequelle es sich handelt – gleichmäßig zu
belasten. Damit soll mittel- bis langfristig auf eine europaweite CO2-Abgabe
abgezielt werden. Dem derzeitigen EU-Emissionshandelssystem stehen wir jedoch
nicht ablehnend gegenüber. Als Übergangslösung am Weg zur EU-CO2-Abgabe könnte
der Emissionshandel auf weitere Sektoren – vor allem Verkehr, Wärme und
Landwirtschaft – ausgedehnt werden.
Carbon-Management für große Projekte einführen
Zur Erreichung der COP23-Ziele muss Carbon-Management zur Folgenabschätzung von
Großprojekten, insbesondere im Verkehrsbereich, eingeführt werden. Wird durch
ein Projekt ein Mehrausstoß von Treibhausgasen generiert, muss anderswo
eingespart werden. Das hilft, den Mehrausstoß von Treibhausgasen abzuschätzen
und folglich auch Gegenmaßnahmen einzuführen, um europaweit auf dem Zielpfad zu
bleiben.
Rascher Ausbau der TEN-V-Kernnetzkorridore (TEN-T Core Network Corridors)
Das Konzept der Paneuropäischen Verkehrskorridore der EU ist das Rückgrat des
effizienten Transports innerhalb Europas. Zur tatsächlichen Umsetzung der Pläne
muss man die Nationalstaaten stärker in die Pflicht nehmen, um die großen Lücken
des Netzes rasch zu schließen. Um den notwendigen Ausbau zu beschleunigen,
sollen europäische Fördermittel innerhalb eines straffen Zeitkorridors
ausgegeben werden. Damit wird Transport in Europa schneller und
umweltfreundlicher und die Bürger_innen der Union wachsen näher zusammen. Die
Wirtschaft wird ebenso gestärkt und der Schadstoffausstoß vermindert.
Anmerkung: Programmkomitee bestehend aus:
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