Veranstaltung: | NEOS Mitgliederversammlung am 24.11.2018 in Linz |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 8: Änderungen des Parteiprogramms, Beschlussfassung von Positionspapieren |
Antragsteller_in: | Claudia Gamon; Tommi Enenkel; Lukas Leys |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 24.10.2018, 06:44 |
Ersetzt: | Blockchain und die Kryptoökonomie |
Blockchain und die Kryptoökonomie
Antragstext
Einleitung
Obwohl die Blockchain-Technologie 2019 ihr 10-jähriges Bestehen feiert, ist der
gesellschaftliche Diskurs über dieses neue Werkzeug erst an seinem Anfang. Das
Potential für positive Veränderung ist groß, viele Folgen sind noch nicht
absehbar oder hochkomplex. Um disruptiven Technologien mit einem
antizipatorischen Ansatz zu begegnen ist es jedoch wichtig, einen Grundstein für
die politische Debatte zu legen.
Blockchain und Vertrauen
Einer der wichtigsten Faktoren des zwischenmenschlichen Miteinanders ist
Vertrauen. In Zeiten zunehmender Vernetzung stellen Banken, Soziale Medien,
Online-Handelsplattformen oder Staaten jene Intermediäre dar, die auch Vertrauen
zwischen jenen Menschen ermöglichen, die sich eigentlich nicht kennen. Beide
vertrauen dem Intermediär, dass er eine Transaktion wie ausgemacht abwickelt.
Für Transaktionen im Internet musste man dabei bisher immer einer zentralen
Autorität vertrauen, die somit als Flaschenhals bzw. schwächstes Glied der Kette
(Single-Point-of-Failure Strukturen) handeln. Diese zunehmende Zentralisierung
(Winner-takes-it-all Effekt) birgt viele Risiken, da solche Intermediäre der
Gefahr von Ausfällen, Manipulationen, Datendiebstahl, Zensur oder Missbrauch
ausgesetzt sind. Ebenso können diese Intermediäre gewisse Personen von ihren
Diensten ausschließen (zB Unbanked und Underbanked Populations) oder Staaten
diese Intermediäre kontrollieren und Einfluss auf sie nehmen.
Die Blockchain ermöglicht es dieser Vertrauensproblematik mit neuen Lösungen zu
begegnen. Blockchains erlauben die sichere Dezentralisierung von Systemen, bei
denen Vertrauen in die Gültigkeit von Informationen und Transaktionen essentiell
ist. Sie ermöglichen Vertrauen zwischen Akteuren, die sich unter bisherigen
Umständen nicht vertrauen konnten und stattdessen auf Intermediäre vertrauen
mussten. Das Vertrauen in einen zentralen Akteur wird ersetzt durch das
Vertrauen in ein Netzwerk auf Akteuren, das auf gemeinsamen Regeln und Konsens
basiert (“Code is Law”). Auf diese Weise werden Transaktionen zwischen
Individuen ermöglicht, welch nicht durch Dritte beeinflusst, aber trotzdem von
Dritten im gewünschten Maß kontrolliert werden können.
Karl-Arthur Arlamovsky:
Tommi Enenkel:
Die Entstehung der Token Economy
Mit Bitcoin entstand die erste auf der Blockchain basierende dezentrale,
kryptographisch gesicherte Währung ohne Bankensystem. Bitcoin ist ein selbst-
organisiertes System, in dem Anreize herrschen, welche alle Teilnehmer
veranlassen gutartig zu handeln und das System gemeinsam aufrecht zu erhalten.
Blockchain-Technologie geht jedoch noch weit über die Möglichkeit dezentraler
Zahlungssysteme hinaus: Tokens und Smart Contracts machen es möglich.
Durch die Blockchain lässt sich über den Transfer beliebiger Werte Buch führen.
Das können Geldwerte, Kunstwerte, Ressourcen, Immobilien, Rechenzeit,
Speicherplatz oder Vermögenswerte sein. Durch die Quantifizierung beliebiger
Werte in Token und die sichere dezentrale Übertragung dieser Werte entsteht eine
reichhaltige Token Economy, die eine essentielle Säule für das Internet of
Things und die globale Ökonomie generell darstellen wird.
Durch Smart Contracts zum globalen Supercomputer
Durch das Hinterlegen von Computerprogrammen auf Blockchains öffnet sich eine
Dimension der globalen Zusammenarbeit. Web-Dienste werden nicht mehr durch die
Angst gehemmt, dass ein Dienstanbieter den Dienst einstellt oder manipulierend
auf die versprochenen Dienste eingreift. Stattdessen ist die Schaffung Digitaler
Autonomer Organisationen (DAOs) möglich, die auf transparenten Prozessen
basierende Verträge anbieten, deren Ausführung durch die Blockchain
sichergestellt wird. Alle Prozesse, die automatisierbar sind, werden von den
Folgen betroffen sein und Organisationen nachhaltig verändern.
Die Folgen der Krypto-Revolution
Die starke Zentralisierung, welche im Web 2.0 stattgefunden hat, hat einige
wenige große Internetunternehmen hervorgebracht, welche mit Monopolmacht Teile
des Internets beherrschen und darüber hinaus die Daten ihrer Nutzer besitzen.
Diese Form der Zentralisierung des Internets wird einem dezentralen System
mittels Blockchain Technologie gegenüberstehen, welches darüber hinaus den
Nutzern die Hoheit über ihre Daten zurückgeben wird. In den nächsten Jahren wird
sich das Internet vom heutigen Web 2.0 weiter zum sogenannten Web 3.0 und
Dezentralen Web entwickeln. Die Blockchain könnte hierbei einen neuen Layer des
zukünftigen Web 3.0 bilden, das sogenannte “Internet of Value”.
Die Blockchain-Technologie und alternative Formen von Distributed Ledger
Technologien werden den Megatrend Digitalisierung zukünftig entscheidend
mitprägen, und kann bei Themen wie E-Banking, E-Government, Smart Property,
Digitale Identität, Intelligente Verträge, Industrie 4.0, Internet of Things,
Cyber Security und Automatisierung eine wesentliche Rolle einnehmen.
Heidemarie Zimmermann:
Tommi Enenkel:
Die Anwendungsgebiete einer sicheren, dezentralen, vertrauenswürdigen,
transparenten, nachvollziehbaren, irreversiblen, manipulationssicheren und
programmierbaren Datenbank sind sehr, sehr vielseitig. Blockchain-Technologie,
Tokens und Smart Contracts werden wesentliche Bereiche der Wirtschaft und des
täglichen Lebens beeinflussen. Darüber hinaus ist auch zu erwarten, dass die
Blockchain Technologie einige darauf folgende gesellschaftliche Veränderungen
mit sich bringen wird. Sie begründet den neuen Wirtschaftssektor der
‘Kryptoökonomie’.
Heidemarie Zimmermann:
Tommi Enenkel:
Warum die Politik sich mit der Kryptoökonomie beschäftigen
muss
Wir NEOS sehen in der Blockchain-Technologie und der damit einhergehenden
Dezentralisierung eine der spannendsten und vielversprechendsten aktuellen
Entwicklungen. In der Digitalisierung werden sie eine wesentliche Rolle
einnehmen. Der neue Wirtschaftssektor der Kryptoökonomie ist gerade mitten im
Entstehen. Blockchains werden darüber hinaus eine treibende Kraft hinter dem
nächsten Evolutionsschritt des Internets sein - dem sogenannten dezentralen Web.
Zudem können Blockchain Systeme dazu beitragen demokratische Entwicklungen zu
verstärken, da sie ein freieres Internet mit Resistenz gegen Zensur und
Manipulation ermöglichen und den Zugang zu Information und Werten für breite
Bevölkerungsteile ermöglichen. Darüber hinaus ermöglicht diese Technologie die
sichere, nachvollziehbare und manipulations-resistente Umsetzung von Wahlen und
eVoting. In der Kryptoökonomie liegt eine große Chance für einen
Liberalisierungsschub in der Gesellschaft, da sie der Bildung von Monopolen,
Oligopolen und vergleichbaren Machtstrukturen entgegenwirkt.
Gerhard Kratky:
"In der Kryptoökonomie liegt eine große Chance für einen Liberalisierungsschub in der Gesellschaft, da sie der Bildung von Monopolen, Oligopolen und vergleichbaren Machtstrukturen entgegenwirkt."
Tommi Enenkel:
Wir NEOS setzen uns für die frühe Förderung und Erforschung von Blockchain-
Technologie ein. Ein vorteilhafter Rechtsrahmen muss ausgearbeitet werden, damit
Unternehmen und Privatpersonen sicher agieren können und sich die Kryptoökonomie
im Wirtschaftsstandort Österreich etablieren kann. Wir NEOS möchten die
politische Auseinandersetzung mit neuen Technologien ihren gesellschaftlichen
Folgen antreiben und die Digitalisierung aktiv formen. Wir begrüßen die Zukunft
und setzen uns aktiv für die Etablierung der Kryptoökonomie ein.
Leitlinien
Rechtssicherheit für Bürger_innen, Unternehmen und
Finanzinstitute
Bei Kryptowährungen und Krypto-Assets handelt es sich um eine neue Assetklasse
(im weiteren zusammenfassend als Krypto-Token bezeichnet), und daher sind
bisherige Gesetzgebungen oft nicht sinnvoll oder ausreichend darauf anwendbar
oder werfen das Risiko auf, dass wir dieser aufstrebenden Technologie Steine in
den Weg legen. Stattdessen sollten wir bei neuen Regelungen für Krypto-Token
darauf achten, dass diese den Einzelnen und der Gesellschaft nützlich sind.
Blockchain-Technologie muss aktiv erforscht und regulatorische Hürden aus dem
Weg geschafft werden. Kryptowährungen als neu entstehende Asset-Klasse bieten
Chancen für eine Volkswirtschaft aber auch Gefahren für Investoren. Die Ausgabe,
der Handel und die Bewertung der verschiedenen Arten von Krypto-Token müssen
daher klaren Regeln unterliegen und Konsumenten adäquat geschützt werden. Ein
umfassender regulatorischer und aufsichtsrechtlicher Rahmen muss geschaffen
werden um Unternehmen, Nutzer und Investoren zu schützen. Darüber hinaus müssen
genaue Definitionen von Begrifflichkeiten und Klassifizierungen von
unterschiedlichen Krypto-Token geschaffen werden. Diese müssen zudem in
bestehende regulatorische Systeme integriert werden. So schaffen wir
Rechtssicherheit für alle Teilnehmer_innen und geben dieser neuen Technologie
den richtigen Rahmen und Nährboden, auf dem neue Geschäftsfelder in Österreich
gedeihen können.
Heidemarie Zimmermann:
Tommi Enenkel:
Standortvorteil für Österreich schaffen
Heidemarie Zimmermann:
Tommi Enenkel:
Ich werde hier noch etwas klarer stellen, welche Begrifflichkeiten wir im Paper verwenden werden.
Tommi Enenkel:
In vielen Staaten werden Regulationen für die Kryptoökonomie diskutiert und
entwickelt oder bereits umgesetzt. Manche Staaten reagieren aus Angst vor dem
Neuen mit plumpen Verboten und nehmen sich damit selbst die Chance, neue
Wirtschaftszweige entstehen zu lassen. Andere Länder wie die Schweiz,
Liechtenstein, Frankreich, Japan, Südkorea und Singapur werden international als
Jurisdiktionen gesehen, welche vorteilhafte Regelwerke implementieren und ein
förderliches Umfeld für die Kryptoökonomie geschaffen haben und dadurch
entsprechendes Wirtschaftswachstum, Konzentration von Wissen und Fachkräften und
technologischen Fortschritt erreichen.
Österreich muss hier aufholen und ebenso förderliche Rahmenbedingungen für die
Kryptoökonomie schaffen. So können wir hier noch Vorreiter sein und ein
wertvoller Technologie-Hub für Blockchain-Unternehmen werden. Das rechtliche,
unternehmerische und politische Umfeld des Themenbereich Kryptoökonomie wird in
Österreich bereits international als vorteilhaft angesehen. Auf diesem
Startvorteil muss man aufbauen und schnell handeln.
Innovative Modelle ermöglichen
Als weitere Entwicklung zu erwarten ist die Entstehung der sogenannten Token
Economy. Blockchain ermöglicht die einfache Verbriefung von Werten und Rechten
in sogenannte Tokens (Security Token, Asset-backed Token). Die Rechte, die ein
solcher Token verbrieft, können sehr unterschiedlich sein. Die vielseitige
Einsetzbarkeit von Tokens eröffnet vollkommen neue Geschäftsmodelle.
Neben den klassischen Finanzierungsarten für Startups und KMU (z.B. Bankkredite,
Venture Capital, Crowdfunding und Kapitalmarktinstrumente) stellen sogenannte
Initial Coin Offerings (ICO) und Initial Token Offerings (ITO) eine neue und
attraktive Alternative zur Finanzierung dar. Viele mit klassischen
Finanzierungen verbundene Hürden wie hohe Kosten, fehlende Liquidität,
eingeschränkte Möglichkeiten, Einflussnahme und limitierter Zugang von
Investoren, sowie die Rolle von Intermediären, können hierbei wesentlich gesenkt
werden. Das rechtliche Umfeld für Initial Coin Offerings und Initial Token
Offerings benötigt einen genau definierten Rechtsrahmen für Unternehmen und
Investoren.
Staat Österreich & EU als aktive Teilnehmerin der
Kryptoökonomie
Österreichs Regierung darf nicht warten, bis sie vor vollendeten Tatsachen
steht, sondern muss ein aktiver und gestaltender Faktor werden, wenn es um die
Realisierung von Blockchain-basierten staatlichen Dienstleistungen und
Geschäftsmodellen geht.
Österreich muss sich zum Ziel setzen, ein Rahmenwerk zu schaffen, welches es
ermöglicht, dass aus der österreichischen Gesellschaft und Wirtschaft Impulse
ausgehen, die Vorbildwirkung auf internationaler Ebene haben. Österreich muss
sich daher auch insbesondere auf Ebene der Europäischen Union für die Schaffung
attraktiver Rahmenbedingungen und vorteilhafter Regulierungen im Sinne des
digitalen Binnenmarktes einsetzen.
Gesellschaftliche Aufklärung vorantreiben
Blockchain ist nicht gleich „Krypto“: Die Entmystifizierung des Themas
Kryptowährung und die klare Abgrenzung der dahinterliegenden Technologien ist
notwendig, um Ängsten zu dem Thema sachlich entgegentreten zu können und
Vertrauen zu schaffen. Dies betrifft den Bildungsbereich ebenso wie die
öffentliche Thematisierung und politische Auseinandersetzung.
Blockchain als Technologie des Vertrauens muss dieses Vertrauen erst gewinnen.
Dazu braucht es Beispiele der erfolgreichen Anwendung von Blockchain-
Technologie.
Rechtssicherheit für Private
Derzeit wird nur bestehendes Recht auf die Kryptoökonomie umgelegt. Ob diese
Anwendungen rechtlich halten, ist oft ungewiss. Gleichzeitig tauchen laufend
neue Fragen auf, die geklärt werden müssen. Schaffen wir Rechtssicherheit für
alle privaten Wirtschaftsteilnehmer und staatliche Behörden. Es müssen klare
Regeln und Klassifizierungen geschaffen werden für die Behandlung von:
- Token
- Kryptowährungs-Token: Token welche als reines Zahlungsmittel
innerhalb eines Netzwerks definiert sind. - Utility-Token: Token welche den Inhabern der Tokens innerhalb eines
Netzwerkes bestimmt Rechte geben: (i) Recht auf Zugang zu einer
Dienstleistung, (ii) Recht den Token gegen ein Dienstleistung oder
ein Produkt einzutauschen, (iii) Stimmrechte. - Security-Token: Token, welche Charakteristika haben nach denen sie
als Wertpapiere eingestuft werden können. - Asset-backed Tokens: Tokens geknüpft an Anlagegüter oder
Vermögensgegenstände (z.B. Immobilien, Kunst, Rohstoffe) - Hybride Formen von Tokens (z.B. Utility- und Kryptowährungs-Token)
- Kryptowährungs-Token: Token welche als reines Zahlungsmittel
Heidemarie Zimmermann:
- Besteuerung von verschiedenen Token-Klassifizierungen und neu über
Konsensalgorithmen (Proof-of-Work, Proof-of-Stake, Delegated Proof-of-
Stake, etc.) erzeugte Token
- Wie sollen verschiedene Token-Klassifizierungen in Unternehmen bewertet
werden? (Bilanzierungsregeln)
- Initial Coin Offerings (ICO), Initial Token Offerings (ITO), Security
Token Offerings (STO)
Gerhard Kratky:
Tommi Enenkel:
Außerdem: Derzeit werden Krypto-Token als spekulative Güter besteuert. Die Situation kann sich also nur verbessern.
Hannes Zbiral:
Gerald Bäck:
Unsicherheit gibt es aber immer wieder bei der Mehrwertsteuerbefreiung, der korrekten Abbildung in der Finanzbuchhaltung, sowie bei der Bewertung und Versteuerung erzeugter Tokens. Da müsste der Gesetzgeber Klarheit schaffen.
- rechtliche Unterscheidung von Anonymen Kryptowährungen und pseudonymen
Kryptowährungen
- Smart Contracts
- Dezentrale Autonome Organisationen
Bürger_innen
- Krypto-Token sollen nicht mehr als spekulativ eingeordnet werden. Einige
Token sind zwar als Währung konzipiert, die meisten der gegenwärtigen
Token jedoch nicht. Der derzeit vorherrschende spekulative Charakter
vieler Tokens wird sich verlieren, sobald eine entsprechende Verbreitung
erreicht ist und die Preise sich dadurch stabilisieren. Durch die
Anwendung der 1-jährigen Spekulationsfrist wird der tägliche Gebrauch
nützlicher Tokens zu stark eingeschränkt. Die derzeitige steuerrechtliche
Einstufung als sonstige (unkörperliche) Wirtschaftsgüter ist überholt und
muss in ein eigenständiges regulatorisches Gebiet übertragen werden.
- Konsumentenschutz: Da in Blockchains beliebige Daten (und somit auch
personenbezogene Daten) veröffentlicht werden können und Daten aus den
meisten öffentlichen Blockchains technisch nicht gelöscht und somit einmal
veröffentlichte personenbezogene Daten nicht mehr redigiert werden können,
entsteht das Problem, dass das Recht auf Vergessen in der Blockchain nicht
angewendet werden kann. Daher muss das Strafmaß für irreversible
Datenschutzverletzungen entsprechend präventiv erhöht werden.
Rechtssicherheit und neue Möglichkeiten für Unternehmen
Regulatorische Sandboxes bauen: Blockchain-Technologie ist neu und bringt
unserer Gesellschaft neue Aspekte von dezentralisierten Vertrauenssystemen.
Diese Technologie bietet einerseits vielseitige Anwendungsformen und ist
andererseits in ihrer technologischen und wirtschaftlichen Ausgestaltung selbst
ebenso vielseitig. Um den Umgang mit Blockchain-Technologie zu erforschen und
einen rechtlichen Rahmen zu definieren müssen entsprechende Erfahrungen gewonnen
werden. Daher ist die Schaffung regulatorischer Sandboxes, in denen Unternehmen
sicher experimentieren können und Behörden Erfahrungen im Umgang gewinnen können
essentiell. Diese müssen auf Europäischer Ebene im Sinne eines digitalen
europäischen Binnenmarktes umgesetzt werden.
Gerhard Kratky:
Tommi Enenkel:
- Regulatorische Sandboxes sollen zuständigen Behörden die Möglichkeit geben
über Governance und Regulierungsansätze gemeinsam mit Unternehmen
nachzudenken und schnell auf neue technologische Entwicklungen reagieren
zu können. Durch die Zusammenarbeit von Unternehmen und öffentlicher Hand
entsteht ein schneller Lernprozess, Dialog zwischen den involvierten
Akteuren und eine detaillierte Ausarbeitung der konkreten Sachverhalte.
Langfristig müssen regulatorische Systeme auf Europäischer Ebene
geschaffen werden, welche diese Technologien akkurat abbilden und den
Wirtschaftsraum stärken.
- Initial Coin Offerings (ICO) und Initial Token Offerings (ITO) einen
Rahmen geben: ICOs und ITOs sind aktuell für Unternehmen große Wagnisse,
da viele Fragen hierzu unbeantwortet sind und Unternehmen viele Details
und Rechtsfragen individuell klären müssen. Geben wir ICOs und ITOs einen
Rahmen, in dem die wichtigsten Fragen eindeutig geklärt sind, damit
Unternehmen der Kryptoökonomie gedeihen können und der Wirtschaftsstandort
profitiert.
- Neue Geschäftsmodelle ermöglichen: Aktuell sind verschiedenste
Geschäftsmodelle der Kryptoökonomie im Österreichischen Markt teilweise
oder vollständig noch nicht nicht realisierbar (dezentrale Unternehmen,
Tokenisierung von Vermögensgegenständen, Tokenisierung von
Unternehmensanteilen), wodurch Gründer_innen gezwungen sind, auf andere
Märkte auszuweichen (Regulatory Shopping).
- Neue Formen der Mitarbeiterbeteiligung ermöglichen: Derzeit existiert in
Österreich kein Rahmenwerk, das eine Firmenbeteiligung für Mitarbeiter auf
Krypto-Werten ermöglicht. Ein entsprechender rechtlicher Rahmen würde
vielen KMUs und vor allem Startups ein besonderes Werkzeug geben, die
Motivation zu erhöhen und eine stärkere Verbindlichkeit zum Unternehmen
herzustellen. Es muss für Unternehmen einfacher werden, solche
Partizipationsmodelle zu etablieren - Krypto-Token können hier einen neuen
Impuls schaffen. Werden hier rasch die richtigen Modelle rechtlich
ermöglicht, ergibt das einen Wettbewerbsvorteil für Österreich.
Rechtssicherheit für Finanzinstitute
- Derzeit besteht das Problem, dass Finanzinstitute bei Transfers von
gesetzlichen Zahlungsmitteln zu Blockchain-nahen Unternehmungen bzw.
umgekehrt fürchten, dass sie der Geldswäsche bezichtigt werden. So
entstehen Situationen, in denen Banken sich weigern legitim erworbene
Geldwerte auszuzahlen bzw. gleich die Konten von Kunden schließen. Daher
braucht es Richtlinien für Finanzinstitutionen, wann solche Transfers
zulässig sind und mit welchen Rechtsfolgen (Besteuerung, Regulierung) zu
rechnen ist.
- Kritische regulatorische Anforderungen wie Know-your-Customer (KYC), Anti-
Money-Laundering (AML), Combating of Financing of Terrorism (CFT) müssen
in den speziellen Anwendungsfällen von pseudonymen und anonymen digitalen
Zahlungsmethoden klar und umfassend definiert werden. Bestehende
regulatorische Systeme müssen diese im Sinne eines digitalen europäischen
Binnenmarktes miteinbeziehen.
- Finanzinstitute müssen die nötige Rechtssicherheit und operationelle
Infrastruktur vorfinden, damit diese die Kryptoökonomie fördern und in die
Wirtschaft integrieren kann.
Gerhard Kratky:
Tommi Enenkel:
Der Staat
Staatliche Institutionen dürfen der technologischen Entwicklung nicht im Weg
stehen und sollen Innovation stattdessen aktiv innerhalb ihrer
Zuständigkeitsbereiche fördern.
- Aktive Entwicklung von Blockchain-basierten staatlichen Dienstleistungen
oder beglaubigten Informationen, wo es kosteneffizienter oder aus Gründen
der Transparenz, Belegbarkeit oder Manipulationssicherheit geboten ist,
bspw. Transparenzdatenbanken, zentrales Personenstandsregister, notarielle
Beglaubigungen, Grundbuch, Firmenbuch, Schenkungsverträge ohne wirkliche
Übergabe, Erb- und Pflichtteilverzichtsverträge, bestimmte Verträge
zwischen eingetragenen Partnern, in denen die Aufteilung der Ersparnisse
und der Wohnung im Fall der Auflösung im Voraus geregelt wird, Statuten
und Gesellschaftsverträge von Kapitalgesellschaften, die
Abtretungsverträge von Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung
und Verträge im Zusammenhang mit Umgründungen von Kapitalgesellschaften,
elektronische Akten. Durch die Nutzung von zero-knowledge proofs ist auch
das Hinterlegen von vorläufig geheimen Informationen in einer Blockchain
möglich, die erst zu einem später gewählten Zeitpunkt von den
Vertragspartnern offengelegt werden.
- Der Staat muss bei der Nutzung von (primär öffentlichen) Blockchains
jedenfalls eine datenschutzrechtliche Risikofolgenabschützung durchführen,
da einmal veröffentlichte Informationen nicht mehr redigierbar sind.
- Vertrauen durch Experimente schaffen: Viele öffentliche Dienstleistungen
wie beispielsweise die Transparenzdatenbank oder Essensmarken lassen sich
in der Blockchain darstellen und würden so das Vertrauen in die Blockchain
stärken.
- Öffentliche Institutionen (Finanzämter, die Finanzmarktaufsicht, die
Österreichische Nationalbank, zuständige Behörden und Institutionen)
müssen in dieser Thematik detailliert geschult sein und ihr Wissen aktiv
an Privatpersonen und Unternehmen weitergeben können.
- Relevante Institutionen wie Interessensvertretungen oder Normungsinstitute
sollen Fach-Expert_innen für die Fragestellungen der Kryptoökonomie
stellen.
- Ein Bürgerservice für alle Fragen rund um die Kryptoökonomie muss getartet
werden, um Informationen und Know-How an Unternehmen und Privatpersonen
gezielt weiterzugeben und so die Kryptoökonomie durch eine zentrale
Anlaufstelle zu födern.
Gerhard Kratky:
Kryptoökonomie & Umwelt
Viele Menschen sind besorgt, dass der Energieverbrauch von Blockchain-basierten
Systemen eine signifikante Belastung für unsere Umwelt darstellt. Die
dahinterliegende Ursache für den hohen Stromverbrauch ist die Proof-of-Work
Methode, die genutzt wird, um im System zu beweisen, dass Ressourcen für die
Auswertung von Transaktionen eingesetzt wurden. Grundsätzlich gehen wir davon
aus, dass die Energiekosten als größter Kostentreiber bald dafür sorgen werden,
dass alternative Methoden zur Absicherung der Blockchain (wie beispielsweise
Proof-of-Stake, dass einen weit geringeren Energieverbrauch hat) Vorrang
erhalten werden. Bedeutende Blockchains wie zB Ethereum befinden sich derzeit im
Umstieg auf Proof-of-Stake.
Heidemarie Zimmermann:
Um von staatlicher Seite die richtigen Impulse zu setzen, schlagen wir deshalb
vor, dass von Österreich eingesetzte oder anderweitig geförderte Blockchain-
Systeme grundsätzlich auf jenen Blockchains aufgebaut werden sollen, die auf
Proof-Methoden basieren, die keinen unnötigen Energieverbrauch zur Absicherung
der Blockchain verlangen.
Bildungssystem
Die vielseitigen Aspekte der neu entstehenden Kryptoökonomie sind komplex und
vielseitig und erfordern einen gewissen Bildungsstandard um in diesem Umfeld
interagieren zu können.
- Im Zuge der Digitalisierung muss Coding ein genereller und fixer
Bestandteil der Schulbildung werden, idealerweise bereits ab
Volksschulniveau bis hin zur Matura.
- Es muss insgesamt ein viel stärkerer Fokus auf das Verständnis
Zukunftstechnologie in allen Bildungsformen (Schulen, Lehrgänge,
Studiengänge, Postgraduale Studiengänge, Ausbildungskurse, etc.) gelegt
werden.
- Im Zuge der Digitalisierung muss in vielen Berufsfeldern über einen
stärkeren Fokus auf Informationstechnologie gelegt werden. z.B. Die
universitäre Ausbildung von Juristen muss aktualisiert werden und das
Programmieren und Lesen von Smart Contracts beinhalten.
- Universitäten müssen einen viel stärkeren Fokus auf Zukunftstechnologien
in der Forschung und in der Ausbildung von Student_innen legen.
Unterstützer_innen
- Christoph Hofer
- Stefanie Gaismayer
- Gerhard Kratky